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Kolumne "Mon Berlin": Eine Schwäche für Prinz Charles

Warum nur begeistern sich so viele Frauen – viel mehr, als Sie glauben – für magersüchtige Prinzessinnen? Unsere Autorin untersucht die Psychologie der Royalisten.

Warum nur begeistern sich so viele Frauen – viel mehr, als Sie glauben – für magersüchtige Prinzessinnen (ein bei den Royals weit verbreitetes Leiden), schrullige Prinzen in Uniform (manchmal sogar in Nazi-Uniform – als Witz!) und verwelkte Königinnen unter monumentalen Hüten?

Womit verdient der neue König der Niederlande so viel Bewunderung? Er ist sicher sympathisch, aber so glatt, blass, blond und nett, als wäre er einer Gouda-Werbung entsprungen. Was fasziniert uns so an diesem häufig miteinander blutsverwandten und deshalb manchmal etwas debil wirkenden europäischen Hochadel, der sich mit seinen Olympiaschwimmerinnen (Charlène) und seinen Töchtern von Partynippeshändlern (Kate) auf dem besten Weg zur Proletarisierung befindet?

Glauben Sie nur nicht, die royalen Groupies seien etwas schlicht gestrickte Blondinen, sentimentale alte Damen oder frustrierte Leserinnen von Lore-Romanen. Sie werden es nicht glauben, aber in meinem Freundeskreis (wo man sich auch peinlichste Schwächen gesteht) findet sich eine Professorin von unerhörter Intelligenz, die mir beichtete, sie habe zwei Tage mit Tränen in den Augen auf dem Sofa verbracht, um das Defilee der gekrönten Häupter zu verfolgen.

Tagesspiegel-Kolumnistin Pascale Hugues liest und diskutiert im Tagesspiegel-Salon.
Tagesspiegel-Kolumnistin Pascale Hugues.

© Thilo Rückeis

Ich war an dem Tag im Flugzeug. Als ich aus der Kabine kam, habe ich mir still und leise, schwups, die „Bunte“ geschnappt, die ein Passagier hatte liegen lassen. Da ich aber nicht sehr mutig bin, habe ich die „Bunte“ – Schlagzeile: „Máxima, Königin der Herzen“ – im edlen Feuilleton der Faz – Schlagzeile: „Kulturstadt Marseille“ – versteckt. Am selben Morgen hatte ich schon ein Bündel orangefarbener Papierservietten mit der Aufschrift Beatrix /Willem-Alexander in meiner Handtasche verschwinden lassen; die Servietten wurden mit den Matjeshäppchen bei der Garden Party der niederländischen Botschaft in Luxemburg verteilt, zu der eine großherzige Seele mich eingeladen hatte.

Und jetzt: frei raus damit! Während die Männer am Mittwochabend vor dem Fußballspiel brüllten, habe ich mich in meinem Arbeitszimmer eingeschlossen, um mir noch einmal die Festivitäten auf Youtube anzuschauen: die Kleider, die Reden, die Tränen, die drei kleinen Töchter des neuen Königs, die schöne Máxima. Bestimmt eine Stunde lang.

Seien wir doch ehrlich: Wie viele echte, hartgesottene Emanzen verstecken in diesen Tagen nicht die „Bunte“ unter ihrer Matratze? Und wie viele von ihnen, die am Mittwochabend in Schals von Dortmund und Bayern kreischten, hatten nicht ein paar Stunden zuvor die Roben und den Pomp von Amsterdam bewundert?

Was für eine sexistische Glosse, werden Sie sagen. Tatsächlich kenne ich keinen einzigen Mann, der sich für die Königsfamilien begeistert. Anscheinend ist diese Faszination ein weiblicher Atavismus, der den Suffragetten widerstanden und Jahrzehnte des Feminismus überlebt hat.

Kaum wage ich zu beichten, dass ich eine Schwäche für Prinz Charles habe. Er rührt mich, gerade weil er der Anti-Traumprinz ist. Immer zerrupfter, immer kahler, immer mehr geplatzte Äderchen, im Wind flatternde Ohren. Der Harris Tweed ist seine zweite Haut, das Understatement seine zweite Natur. So beeindruckend mit seiner alten Liebe, die er der hinreißenden Diana vorzog. Ja, ich muss es Ihnen gestehen: Ich bin heimlich in Prinz Charles verliebt. Eben weil er feststeckt, ein Schiffbrüchiger aus einer anderen Zeit, das Gegenteil der neuen Prinzen, die eher an die Muskelmänner der Levi-Werbung erinnern.

Nein, Sie brauchen nicht mit den Schultern zu zucken. Was erzählt sie denn heute für einen Quatsch! Es wäre falsch, würden Sie die königlichen Familien nur als skurriles Operettenspektakel ansehen, das allein die Aufgabe hat, das Volk in Zeiten der Wirtschaftskrise zu unterhalten. Eine Art Opium für Atheisten.

Es wäre falsch zu glauben, wir – Franzosen und Deutsche, Kinder echter Demokratien – könnten ohne diese Maskerade auskommen. Denn wenn man keinen König und keine Königin hat, was tut man dann? Man erfindet sie neu. Wir Franzosen haben unseren König enthauptet, dafür haben wir zwei Jahrhunderte später präsidiale Monarchen: De Gaulle, Giscard, Mitterrand, Sarkozy. Allürenarme Präsidenten à la Hollande finden keinen Anklang.

Und ihr Deutschen, die ihr so stolz seid auf eure meritokratische Nachkriegsgesellschaft, ihr habt euch an die Guttenbergs geklammert, pomadisierten Ersatz für Charles und Camilla. Und ihr habt euch auf das Ehepaar Wulff gestürzt, deren Glamour ihr einst – erinnert euch! – gepriesen habt. Habt ihr vielleicht Großburgwedel und Balmoral verwechselt? Nein, ich schäme mich nicht. Ich bleibe Prinz Charles treu.

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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