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Meinung: Kolumne: Und was mache ich jetzt?

In der "Bild"-Zeitung gibt es nun eine seltsame kleine Serie, deren Titel lautet: "Fragen an das Gewissen". Ob man jetzt zu Partys einladen, einen Urlaub in der Türkei planen, Katastrophen-Thriller anschauen dürfe, fragt da ein Kolumnist und antwortet natürlich gleich - in den genannten Fällen mit Nein, Ja, Nein.

In der "Bild"-Zeitung gibt es nun eine seltsame kleine Serie, deren Titel lautet: "Fragen an das Gewissen". Ob man jetzt zu Partys einladen, einen Urlaub in der Türkei planen, Katastrophen-Thriller anschauen dürfe, fragt da ein Kolumnist und antwortet natürlich gleich - in den genannten Fällen mit Nein, Ja, Nein. Man nennt so etwas Lebenshilfe. Neulich wurde die Frage aufgeworfen, ob man noch laut lachen dürfe. Ja!, war die Antwort, denn Lachen entspanne den Körper.

Entspanne den Körper... Mit dem Lachen ist es aber so: Man muss es nicht nur dürfen, man muss es auch können. Lachen kann man nicht in der Apotheke kaufen, auch wenn es die beste Medizin ist, und den meisten ist nun mal das Lachen vergangen seit anderthalb Wochen. Niemand weiß, wann es wiederkehrt. Schmidt schweigt, Raab nicht - und Schmidt hat Recht, man muss schweigen können. Wer lebt jetzt nicht so leicht benebelt vor sich hin, wie unter Watte? Liest in den Zeitungen von den Wirkungskreisen verschiedener Giftgase und Kampfmittel ("... Mensch stirbt unter entsetzlichen Krämpfen..."), schaufelt gewaltige Mengen an Nachrichten in sich hinein, ringt mit diffuser Angst und versucht, sich mit Allerweltsweisheiten zu trösten. "Sei nicht unglücklich vor der Zeit; denn das, was dich, als dir drohend, in Angst versetzt, wird vielleicht nie kommen." Klingt banal. Ist aber von Seneca.

Tja. Die New Yorker sind aufgerufen, wieder normal zu leben, wir sind es sowieso. Aber wie sieht normales Leben aus, wenn in den Bestsellerlisten Nostradamus oben steht? Wenn das Leben plötzlich aussieht wie eine Fototapete, die einen Riss bekommen hat, und durch diesen Riss erblickt man, nacktes Ausgeliefertsein verspürend: das schwarze Nichts. Wenn einem schaurige Gedichte wie Georg Heyms "Der Krieg", geschrieben lange vor dem Ersten Weltkrieg, schrecklich passend vorkommen: "Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,/Aufgestanden aus Gewölben tief./In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,/Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand."

Genug. Darf man so schwermütig sein in diesen Tagen? Es wirkt unangemessen, verglichen mit dem, was den New Yorkern geschah. In München ist das Oktoberfest eröffnet worden, anders als üblich, aber doch. Udo Jürgens will nicht hingehen, auch Ben Becker und Theo Waigel und die anderen nicht. Eigentlich will niemand hingehen, aber ein paar werden doch kommen, die Geisterbahnbesitzer und Schießbudenbetreiber wollen leben. Was soll man tun? Was lassen? Mann! So lange das unsere schwierigsten Entscheidungen sind, wollen wir froh sein. Einer hat allen Ernstes das Fest zum Anti-Terror-Fanal ernannt. Saufen gegen Osama bin Laden, es ist, ähm... - zum Lachen?

Axel Hacke

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