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Kommentar: Der Terror hat einen Namen - Ahmadinedschad

Hunderte Regimekritiker sind zu drakonischen Strafen verurteilt worden, viele sitzen hinter Gittern und warten auf ihren Prozess. Gleichzeitig höhnt Präsident Mahmud Ahmadinedschad über die neue UN-Resolution.

Das iranische Volk scheint zum Schweigen gebracht. Wo ist meine Stimme, skandierten im vergangenen Sommer wochenlang die Menschen auf den Straßen der Islamischen Republik. Jetzt hat die grüne Opposition am Jahrestag der umstrittenen Präsidentenwahl alle Proteste abgesagt. Die Bürger bleiben stumm, die Hardliner um Revolutionsführer Ali Chamenei und Präsident Mahmud Ahmadinedschad fühlen sich nach monatelangem Ringen wieder fest im Sattel.

Hunderte Regimekritiker sind inzwischen zu drakonischen Strafen verurteilt worden, aberhunderte sitzen hinter Gittern und warten auf ihren Prozess. Kaum ein Iraner wagt es derzeit, mit Ausländern zu sprechen, zu telefonieren oder Mails an sie zu schreiben. Journalisten erhalten praktisch keine Visa mehr. Die Islamische Republik igelt sich ein. Ihr Regime widmet sich wieder einmal seiner geopolitischen Lieblingsrolle: allein gegen alle – Teherans heroischer Abwehrkampf gegen die globale Riege der finsteren Mächte, gerissenen Spione und omnipotenten Bösewichter.

So hat Ahmadinedschad für die vierte Runde internationaler Sanktionen nur Hohn und Spott übrig. Wertloses Papier nannte er die UN-Resolution 1929, bevor er sich aufmachte zu einem eintägigen Besuch der Expo in Schanghai. Doch selbst bei Irans wichtigstem Ölkunden China mochte kein Regierungsmitglied den eiligen Besucher zu einem offiziellen Gespräch empfangen. Mit Russland, bislang die zweite Schutzmacht Teherans bei der UN, hat es sich der großmäulige Präsident bereits in den letzten Wochen gründlich verdorben. Und selbst Peking gegenüber bekommen seine Reden jetzt den gleichen drohend-rüden Unterton, der zu seinem diplomatischen Markenzeichen gehört. Denn Ahmadinedschad sieht sich offenbar wieder obenauf und zudem von der Vorsehung Allahs getragen. Eine Kostprobe seines Realitätssinns gab er letzte Woche bei einer Staatsfeier vor dem Chomeini-Mausoleum, als er seine angebliche Wiederwahl „hundert Prozent demokratisch“ nannte und den Iran im gleichen Atemzug zum „Weltmeister der Demokratie“ erklärte.

Doch allem rhetorischen Gedröhne zum Trotz – die innenpolitische Krise im Iran ist genauso wenig beigelegt wie die Kriegsgefahr wegen des iranischen Atomprogramms. Die internationale Isolierung des Landes wächst. Daran ändert auch das kurze türkisch-brasilianische Intermezzo nichts. Gleichzeitig hat die Statik der Islamischen Republik durch die monatelangen Unruhen im letzten Jahr schweren Schaden genommen. Der Grundkonsens der politischen Elite, der das klerikal-republikanische Gebäude in den vergangenen dreißig Jahren zusammenhielt, ist ruiniert. Immer mehr Geistliche wenden sich ab oder wechseln in die Reihen der Opposition. Und eine Regierung, die sich auf Schlägertrupps, bewaffnete Motorradkommandos und Folter stützen muss, kann politisch nicht mehr viel bewegen.

So wird der Iran noch eine Weile weiter vor sich hin stolpern – bis der hohe innere Verschleiß am Ende untragbar wird. Die Oppositionschefs Mir-Hossein Mussawi und Mehdi Karubi jedoch wollen die politische Öffnung durchsetzen, ohne die grüne Bewegung in neue blutige Konflikte mit Justiz, Revolutionären Garden und Knüppelmilizen hineinzutreiben. Sie wissen, dass zivilgesellschaftliche Proteste gegen die geballte Staatsmacht hoch riskant und schnelle Erfolge unwahrscheinlich sind. Sie wissen aber auch, dass die Zeit für sie arbeitet.

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