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Kommentar: Der Westen zögert schon zu lange

Der Westen muss den Gegnern Gaddafis tatkräftiger helfen - bevor es zu spät ist. Eine Flugsverbotszone einzurichten wäre der erste Schritt in die richtige Richtung. Als nächstes könnten dann internationale Beobachter ins Land reisen.

Was muss noch geschehen, damit etwas geschieht? Ja, Libyen ist gemeint. Die Menschen – haben sie nicht Anspruch auf unsere Unterstützung, auf westliche Hilfe, auf die der sogenannten zivilisierten Welt? Wenn uns unsere Werte wichtig sind, kann die Antwort eindeutig sein.

In Libyen verfolgt ein „Psychopath“, wie der Bundespräsident nach Betrachtung der Lage über Gaddafi sagt, sein eigenes Volk. Mit Söldnern, denn Geld hat er genug, lässt der selbsternannte Revolutionsführer ein Blutbad anrichten. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn, wird gefoltert oder ermordet oder beides. Wir wissen es, weil es Berichte gibt, nicht von Geheimdiensten, sondern in allen Medien, weil sich die Welt nicht aussperren lässt. Die Unterdrückung, Entrechtung und Schändung in Libyen kann keiner bestreiten.

Die Folie Irak taugt hier nicht. Nur weil die Begründung für militärisches Eingreifen und das weitere Verhalten dort nicht überzeugend waren, nicht richtig waren, Entsetzen zur Folge hatten, dürfen die Libyer nicht darunter leiden. Nicht um westliche politische Befindlichkeit geht es, sondern um nahöstliches Misstrauen, das auch von einer Haltung herrührt, die den Westen über Jahre und Jahrzehnte nicht eben ausgezeichnet hat: Mit den Despoten, den Herren übers Öl, war auszukommen.

Mit einer Entschuldigung dafür, dass Kräfte der Freiheit und Demokratie in zurückliegender Zeit nicht oder so wenig unterstützt wurden, kann es beginnen, aber darf es nicht enden. Neue Glaubwürdigkeit muss errungen werden. Daniel Cohn-Bendit, der Grünen-Fraktionschef im Europa-Parlament, hat soeben sehr deutlich darauf gedrungen: erstens die Flugverbotszone über Libyen einzurichten, die nicht nur verhindern hilft, dass Gaddafi Kampfjets gegen die eigene Bevölkerung fliegen lässt, sondern auch, dass er Söldner einfliegen kann. Dann zweitens, dass UN- und EU-Beobachter ins Land kommen und bleiben, um die Entwicklung hin zu einer politischen Entscheidung voranzutreiben, mit Wahlen in einigen Monaten. Gaddafi will die Beobachter ja nach Libyen hineinlassen, sagt er.

Die Übergangsregierung in Bengasi hat um Hilfe in Form einer Flugverbotszone gebeten. Was, wenn einer ihrer Vertreter diese Bitte vor dem UN-Sicherheitsrat und in der EU, übertragen von Al Dschasira für alle arabischen Staaten, wiederholt – darf sie ungehört bleiben? Diese Bitte wäre die nötige Autorisierung für eine Aktion der Humanität. Die sich befreienden Gesellschaften, sagt Cohn-Bendit, und auch damit hat er recht, würden schließlich einbezogen in die Verteidigung der Menschen von Libyen. Zumal mit Sicherheit gilt: Die Tunesier, die Ägypter, die ihre Machthaber verjagt haben, werden Gaddafi nicht stützen.

Was geschieht, wenn der, weil niemand ihn stoppt, Giftgas einsetzt? Dann werden wir uns endgültig fragen, wie wir den Menschen in Nahost, die nach den Werten strebten, die wir hochzuhalten vorgeben, nicht tatkräftiger helfen konnten. Und diese Menschen werden uns das auch fragen.

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