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Kommentar: Die sieben Leben der Katze Angela

Kanzler tadeln ist nicht schwer, stürzen aber sehr. Viele wollen offenbar ihren Unmut über die Regierungschefin auf irgendeine Lichtgestalt projizieren.

W ahrscheinlich lässt sich Karl- Theodor zu Guttenberg selber noch am wenigstens verführen von dem Gerede, dass er bald der nächste Bundeskanzler sein könnte, falls Angela Merkel ein paar für die CDU verlorene Landtagswahlen zur Last gelegt werden könnten. Schon aus Gründen der Klugheit muss er diese um ihn herum gesponnene Faszination für Unfug erklären, mag sie ihm auch noch so sehr in der Nase kitzeln. Pourvu que ça dure – meinte Napoleons Mutter, als sich der Korse zum französischen Kaiser gemacht hatte: Mal seh’n, wie lange es hält …

Offenbar wollen jetzt viele ihren Unmut über die Regierungschefin, samt ihren beiden Spießgesellen Seehofer und Westerwelle, spiegelbildlich auf irgendeine Lichtgestalt projizieren. Dass Guttenberg dabei in den Lichtkegel rückt, ist kein Wunder, bleibt er doch die einzige erfrischende und zudem jüngere Gestalt in der politischen Klasse, sogar bei jenen, die ihn des bombardierten Tanklastzugs in Afghanistan wegen schon längst abgeschrieben hatten. Es gibt halt Katzen respektive Kater, die haben sieben Leben.

Das gilt aber auch für die Katze Angela! (Übrigens: Selbst Helmut Kohl musste Hans-Dietrich Genscher jahrelang durchs Telefon zuraunen: Jetzt spring!, bevor dieser die sozial-liberale Koalition durch den Frontwechsel der FDP zu Fall brachte.) Deshalb hier vor allem eine Erinnerung an das Jahr 1989: Alle Welt ging damals davon aus, dass der Kanzler Helmut Kohl sein politisch’ Liedlein bald gesungen haben werde und spätestens nach den nächsten regulären Wahlen, vorgesehen für 1991, abtreten müsse, weil mit dem zu erwartenden Einzug der Partei der Republikaner in den (damals: Bonner) Bundestag eine schwarz-gelbe Bundesregierung unmöglich werde. Also blühten die Intrigen auf in den Führungszirkeln der Union – Ziel: Kohl rechtzeitig stürzen! Am aktivsten intrigierte seinerzeit der heute als Geißler 21 gefeierte Generalsekretär, der übrigens völlig naiv verkannte, dass seine hinterzimmrigen Putschaufforderungen Helmut Kohl bisweilen brühwarm hinterbracht wurden. Lothar Späth empfing reihenweise Journalisten um sich als Alternative zu Kohl zu präsentieren, freilich ebenso ambitioniert wie ängstlich. Auf dem Bremer CDU- Parteitag am 10. September 1989 sollte der Putsch vonstatten gehen, zunächst gegen Kohl als Parteivorsitzenden. Doch drei Wochen vorher eröffnete Kohl dem darob wie vom Schlag getroffenen Chef-Konspirator Geißler knallhart, dass er ihn nicht mehr als Generalsekretär vorschlagen werde. Und schon sackte den Frondeuren das Herz in die Hose bzw. Rocktasche – Späth, Leisler Kiep, Biedenkopf, Blüm, Süssmuth …

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Und sie zeigt, dass selbst ein schwer angeschlagener Parteivorsitzender und Regierungschef zwar leicht abzuschreiben, aber viel schwerer zu stürzen ist, solange er nicht von selbst die Flucht ergreift. Die „Prämie auf den Amtsbesitz“ ist nämlich einfach außerordentlich hoch, zumal in einem System mit konstruktivem Misstrauensvotum. Dazu trägt auch die Erfahrung bei, dass in einer Lage, in der ein Regierungschef am Ende ist, auch ein schnell hervorgeholter Nachfolger keine lange Überlebenschance hat. Das ist auch kein rechter Ansporn, sich in einem Putsch verheizen zu lassen.

Gewiss, Helmut Kohl kamen damals auch unversehens Mauerfall und Einheit zu Hilfe. Aber wer weiß schon, welche Überraschungen die Zukunft sonst noch bereithält? Wenn also Karl-Theodor zu Guttenberg wirklich das Zeug zum Kanzler haben sollte, dann müsste sich das darin zeigen, dass er es derzeit nicht einmal in seinem Innersten will. Es heißt zwar, wer zu spät komme, den bestrafe das Leben. Den aber, der zu früh kommt, doppelt.

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