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Spekulanten wetten an den Börsen auch auf die mögliche Pleite von Staaten.

© dpa

Kommentar: Euro-Krise: Notbremse für Spekulanten

Griechenland ist nur der Anfang. In der Bankenkrise haben Staaten so hohe Schulden angehäuft, dass sie ihrerseits zum Krisenherd werden. Spekulanten setzen auf die nächsten Freikaufprogramme. Das kann nicht gut gehen.

Er hat es wieder getan. Wenn es um die „Finanzindustrie“ geht, wird Bundespräsident Horst Köhler zusehends radikal. Als „Monster“ bezeichnete er schon 2008 den globalen Kapitalmarkt. Nun spricht er gar vom „vorherrschenden Finanzkapitalismus“. Da würden „Renditen gesteigert ohne Rücksicht auf das Wohlergehen der Nationen“. Die Gewinne hätten „wenige gemacht“, die Verluste aber müsse „die Allgemeinheit tragen“. Zugleich bescheinigt er der Politik ein Versagen vor der Macht der Finanzlobby – aber niemand reagiert.

Das ist beängstigend. Besser könnten Kanzlerin Merkel und ihre Truppe gar nicht dokumentieren, dass sie die wahre Dimension der Krise noch immer leugnen: Die anhaltende Fehlsteuerung des Finanzsystems verstößt zutiefst gegen das Gerechtigkeitsempfinden und untergräbt die Fundamente unserer Demokratie. Denn nun, im Jahr zwei nach Lehman, manifestiert sich der Kardinalfehler der damals betriebenen „Rettung“ des Finanzsystems. Die von skrupellosen Finanzmanagern herbeigeführte private Überschuldung vornehmlich in den USA wurde fast vollständig auf die Staatshaushalte übertragen. Die Gläubiger, jene, die das Geld für die Fehlspekulationen bereitgestellt haben sowie die Organisatoren der Kreditblase bei den Investmentbanken, mussten dagegen keinen Cent übernehmen.

In der Folge haben nun die Krisenstaaten selbst so hohe Schulden angehäuft, dass diese ihrerseits zum Krisenherd werden. Griechenland ist nur der Anfang. Gemessen an ihren Defiziten stehen selbst die USA kaum besser da. Aber noch immer verweigern die Regierenden die Einsicht, dass bei jeder Überschuldung beide Seiten verantwortlich sind: Schuldner und Kreditgeber. Anstatt rechtzeitig mit Banken und Versicherungen, die in Athen gute „Risikoprämien“ kassieren, über die Stundung und Senkung der Schuldenlast zu verhandeln, schoben Merkel und ihre EU-Kollegen darum das Problem so lange auf, bis nun nichts anderes übrig bleibt, als erneut dreistellige Milliardenrisiken auf die Steuerzahler zu übertragen, um ein mögliches Chaos in der Euro-Zone abzuwehren. So werden Spekulanten eingeladen, auf die nächsten Freikaufprogramme zu setzen. Das kann nicht gut gehen.

Darum gilt es, die Notbremse zu ziehen. Zunächst könnten die Euro-Regierungen den Handel mit ungedeckten Kreditausfallwechseln verbieten. Das würde Währungsspekulanten ihr wichtigstes Werkzeug nehmen. Nötig wäre zudem ein Verfahren für eine geordnete Staateninsolvenz zur Abschreckung gegen weitere Überschuldung. Vor allem aber müsste der Finanzbranche verordnet werden, was in der übrigen Wirtschaft seit je üblich ist: eine Umsatzsteuer. Würden Finanztransaktionen auch nur mit 0,05 Prozent belegt, kämen allein in der EU jährlich dringend benötigte 200 Milliarden Euro in die Staatskassen. Dagegen führt die Finanzlobby an, das Geldgeschäft würde dann in andere Regionen abwandern. Mangels globaler Vereinbarungen sei das Vorhaben zwecklos. Aber das ist Unsinn. Für Geschäfte in Euro brauchen Banken ein Konto bei der Europäischen Zentralbank. Würden sie EU-Gesetze im Ausland umgehen, könnten die Euro-Staaten ihnen einfach die Lizenz entziehen. Den Ausschluss aus dem weltgrößten Binnenmarkt könnte sich aber keine internationale Bank leisten. Wollte die Kanzlerin das vielfach postulierte „Primat der Politik“ durchsetzen, hier könnte sie es im Verein mit Frankreichs Präsidenten Nicholas Sarkozy tatsächlich erreichen. Der Beifall der Wähler wäre ihr gewiss.

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