zum Hauptinhalt
Joachim Gauck. Wird er der neue Bundespräsident? Am Freitag (25.06.2010) sprach er in Berlin bei einem Unterstützerfest für seine Person.

© ddp

Kommentar: Joachim Gauck ist Wayne Rooney

Präsidentschaftskandidat Gauck ist für den Afghanistankrieg, für die Vertriebenen und für mehr Verantwortung des Einzelnen. Rot-Grün hat ihn trotzdem nominiert. Malte Lehming über die Taktik der "Öko-Sozen" bei der Präsidentenwahl.

Bei der Fußball-WM wird erneut über den Videobeweis diskutiert, aber auch über eine neue Regel, die das Spiel spannender machen soll: Jede Mannschaft darf einen Spieler der Gegenseite einsetzen. Dadurch ließe sich nicht nur das eigene Team stärken, sondern auch das des Gegners schwächen. Die Engländer hätten also mit Thomas Müller spielen können und die Deutschen mit Wayne Rooney. Interessant, interessant.

Auf diese Idee gebracht hat die Fifa der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokratie, Sigmar Gabriel. „Wir in Deutschland machen gerade sehr gute Erfahrungen damit“, sagt Gabriel stolz und weist auf die Wahl zum Bundespräsidenten hin. Na, klar sei Joachim Gauck ein Erzkonservativer – pro Vertriebene, pro Hartz-IV, pro Afghanistankrieg, pro Verantwortung des Einzelnen und so weiter. Vor wenigen Tagen erst sagte Gauck: „Wer ausgerechnet der Wirtschaft die Freiheit nehmen will, wird mehr verlieren als gewinnen.“ Und: „Es gibt Viertel mit allzu vielen Zuwanderern und allzu wenigen Altdeutschen.“ Wolfgang Clement und Thilo Sarrazin werden für so etwas mit Parteiausschlussverfahren überzogen. Aber bei Gauck gelten andere Maßstäbe, denn er ist ja ein Spieler der Gegenseite. Gauck ist der Rooney der SPD.

Dass er von Rot-Grün nominiert wurde, zeigt nun zweierlei. Erstens offenbart die gemäßigte deutsche Linke, dass sie niemanden in ihren eigenen ideologischen Reihen gefunden hat, dem sie das höchste Amt im Staat zutraut. Die Personaldecke für Führungsaufgaben scheint bei den Öko-Sozen extrem dünn zu sein. Zweitens schätzt sie dieses höchste Amt in seiner Bedeutung und Funktion derart gering ein, das sie dort am liebsten einen von der Gegenseite sieht, wenn er nur geeignet genug ist, der Regierung von Angela Merkel eine empfindliche Schlappe zuzufügen. Mag der Teufel im Schloss Bellevue residieren, Hauptsache er hat die Kanzlerin geärgert. Verächtlicher lässt sich über das Amt des Bundespräsidenten kaum befinden.

Peinlich ist zuletzt, wie ein Großteil der deutschen Intelligenz (was fast ein Widerspruch in sich ist) die Gauckomanie befördert. Sie durchschaut das Spiel und spielt es dennoch mit. Da mag Sehnsucht nach einem Obama-Moment eine Rolle spielen, Überdruss an den Parteien, die alte Anhänglichkeit an die Graswurzel. Oder aber sie teilt die kalte Instrumentalisierungslust der Gabriel-Trittin-Fraktion.

Dass in diesen Tagen ein Typ wie Oskar Lafontaine wegen seiner klaren, widerspruchsfreien und ehrlichen Äußerungen dazu (die man inhaltlich nicht teilen muss) wie ein politischer Ehrenmann wirkt, illustriert das Maß des Irrsinns, das uns gerade umgibt. Hätten wir wirklich gewollt, dass Rooney das deutsche Siegtor schießt?

Joachim Gauck ist ein toller Mann. Er hat besseres verdient, als auf dem Taktikticket von Rot-Grün zum Anti-Merkel-Präsidenten gewählt zu werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false