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Kommentar: Merkels Afrikareise kommt spät

Angela Merkel reist mitten hinein in Vergangenheit und Zukunft. Sie besucht drei wirtschaftlich interessante Länder Afrikas und agiert dabei halbherzig.

Spät kommt sie, kurz kommt sie, halbherzig agiert sie: Bundeskanzlerin Angela Merkel in Afrika, in drei wirtschaftlich interessanten Ländern des riesigen Kontinents. Denn genau um diese Interessen geht es. Die meisten Deutschen sehen dort nur Hungerleider, die etwas von ihrem Wohlstand haben wollen. Doch inzwischen ist es so, dass alle anderen vom Reichtum der so unterschiedlichen 54 Länder profitieren wollen. Und: Die meisten anderen sind längst da. Allen voran China, Indien, auch Brasilien, Russland, Frankreich mit seiner Kolonialgeschichte. Nicht nur Regierungen mit Hilfsprojekten, auch Firmen.

Die Kanzlerin hat Vertreter von zehn Unternehmen im Schlepptau. Es sind nicht die ganz großen. Merkel spricht von Zusammenarbeit auf Augenhöhe, aber was meint sie? Ihr Afrika-Beauftragter Günter Nooke erklärt seltsam hilflos, bei der Wirtschaft müsse jetzt Interesse für Afrika entstehen. Und die Wirtschaft? Deren Abgesandte haben die Backen freundlich, aber mächtig aufgeblasen. Geschäfte wollen sie gern machen. Dafür soll die Kanzlerin den freien Zugang zu den afrikanischen Rohstoffen sichern. Schließlich wissen sie, dort gibt es Öl, Gas und die geheimnisvollen seltenen Erden, die für Smartphones und Elektromotoren wichtig sind.

Die Chinesen schließen eifrig Verträge. Die deutschen Firmen fordern, die Politik müsse ihnen zur Seite stehen. Das klingt nach einem guten Geschäft. Gewinne will man machen, Rohstoffe kaufen, vielleicht noch eigene Technologien verkaufen, für erneuerbare Energien etwa. Wozu es die Politik braucht? Doch nicht etwa, um das Risiko abzusichern, dreifach hermesgepolstert? Wer etwas holen will, muss auch etwas mitbringen.

Nun hat es zu Beginn der Reise den Anschein, als fingen die Kenianer an, sich einer gewissen Stärke bewusst zu werden. Manch asiatisches Land tariert bereits gut Rohstoff-Interessenten gegeneinander aus, lässt sich Pläne finanzieren, die nicht unbedingt jemand bezahlen wollte – und vielleicht auch nicht sollte. Kenias Spitze wünscht sich von Merkel den Ausbau des Hafens Lamu mit dem Hinweis: „Wir sind nicht die Kolonie eines Landes“ – mehrerer Länder denn? Soll sie in die Waldschlößchenbrücken-Falle tappen? Denn das beschauliche Lamu ist Weltkulturerbe, Autos sind verpönt, edle Hotels in verträumter Natur ziehen Touristen an (Einnahmen und Jobs für Einheimische). Dort sollte kaum mit deutschem Geld ein Ölcontainerhafen entstehen. Mombasa ist nicht weit, der Hafen könnte gut organisiert (deutsche Investition?) viel mehr leisten.

Am Hunger kommt Merkel allerdings doch nicht vorbei. Noch gibt es kaum Bilder von dem unermesslichen Leid, das sich gerade in Kenia, Somalia und Äthiopien ereignet: Rund zwölf Millionen Menschen drohen dort zu verhungern, etwa drei Mal so viele, wie Berlin Einwohner hat. Im Schatten der Aufmerksamkeit. Fachleute sagen, es sei die weltweit größte Katastrophe. Angela Merkel hat eine Million Euro Hilfe zugesagt. Diese Menschen trifft die Kanzlerin allerdings nicht.

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