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Kommentar: Westerwelle, Merkel, Seehofer: Trio malade

Die schwarz-gelbe Dauerkrise hat ihre Quelle nicht unten in den Parteien. Die Firma läuft schlecht, weil es oben hakt. Und dafür gibt es neben starken objektiven Gründen auch ein paar allzu menschliche.

Von Robert Birnbaum

Politiker, sagt der Volksmund, sind auch nur Menschen. Vielleicht weiß der Volksmund gar nicht, wie recht er damit hat. Dabei liefern die derzeit Regierenden genug Anschauung dafür, dass Politik nicht nur von Interesse und Programm, von Sach- und Machtfragen handelt. Die schwarz-gelbe Dauerkrise hat ihre Quelle nicht unten in den Parteien. Die Firma läuft schlecht, weil es oben hakt. Und dafür gibt es neben starken objektiven Gründen auch ein paar allzu menschliche. Die drei, die alles regeln sollen, sind sich als Bürogemeinschaft im Grunde unerträglich.

Warum das so ist, lässt sich am Leichtesten vom Opfer her beschreiben. Guido Westerwelle ist dabei, am lang herbeigesehnten Erfolg zu scheitern. Das hat viele Gründe, aber auch einen, der in der Person liegt. Westerwelle ist der letzte 68er der deutschen Politik. Nicht der Sache nach, im Gegenteil. Aber der Typus ist der gleiche, der Straßenkämpfer mit einem Ziel vor Augen – theoretisch das populäre Idealbild des Politikers. Westerwelle brennt für etwas, für eine andere Republik, für die das Steuerparadies nur die letzte, schief gewordene Chiffre ist.

Was seine beiden Bürokollegen im Innersten wollen, ist weit schwieriger zu sagen, nur eins ist klar: Angela Merkel wie Horst Seehofer sind eindeutig Post-68er. Merkel hat den Fall der Mauer in der Sauna verschwitzt und anderntags mal geschaut, was sich aus der neuen Lage machen lässt. So reagiert sie bis heute. Als das Volk ihr am Wahltag 2005 mitteilte, dass es nicht gerne reformiert und kopfpauschalisiert würde, hat sie den Kopf geschüttelt über so viel Unverstand, aber fortan ihre Ziele am Machbaren orientiert. Westerwelle hat aus der gleichen Wahl den gegenteiligen Schluss gezogen – dass die Wand härter ist als gedacht und der Kopf trotzdem durch muss.

Das wahre Gegenstück zum FDP-Chef ist aber der Kollege von der CSU. Seehofer hat die politische Kleinkunst perfektioniert, die Erde mal zur Scheibe zu erklären und mal zur Kugel. Er war früher größter Steuersenker, ist heute größter Sparer, und wer darin keine schnurgerade Linie sieht, ist halt selber schuld.

Man erkennt schnell, welches Drama in dieser Dreier-Konstellation schlummert. Zu allem Überfluss entsprechen die drei Formen von Politikverständnis auch drei Führungsstilen. Westerwelle führt – wiederum ein theoretisches Ideal – seine Partei von vorn. Seehofer sitzt seiner Partei vor. Merkel schaut auch in der CDU auf das Machbare – es gibt Widerstände, gegen die kann man angehen, und andere, die kann man nur hinnehmen.

Das Chaos ist programmiert. Westerwelle, gewohnt, dass sein Wort gilt, fühlt sich vorgeführt und hintergangen. Seehofer erklärt maliziös lächelnd Bezeichnung wie „Störenfried“ zum Gütesiegel – wir erinnern uns: Die Erde ist eine Scheibe! Merkel aber findet den messianischen Überschuss ihres Vizekanzlers in Form und Inhalt schlicht unpolitisch. Sie hat ihn gegen die Wand namens Wirklichkeit rennen lassen, ihr Finanzminister hat das Mauerwerk verstärkt. Erst als sich Westerwelle den Kopf wund genug gestoßen hatte, hat Merkel das getan, was sie ehrlicherweise im Koalitionsvertrag hätte ausverhandeln müssen: das Steuerparadies vorläufig zugesperrt.

Wie aus dem Träumer, dem Spieler, der Pragmatikerin je ein Team wird? Gute Frage. Dass ihre Büroboten aufhören, sich mit Unflat zu bewerfen, reicht nicht. Menschlich nicht, politisch nicht. Denn nach diesem Anfang wird man sie am Ende nicht an Ergebnissen messen, sondern am Bild, das sie abgeben.

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