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Andrea Dernbach

© Kitty Kleist-Heinrich

Auf den Punkt: Islam, Islamist, Terrorist

Andrea Dernbach über das deutsche Schweigen zum Mord an einer Muslimin in Dresden

Vom Fall Dresden bleiben eine Menge unbeantwortete Fragen: Wie kann ein Angeklagter in einem Gerichtssaal 18 Mal auf eine Zeugin einstechen, ohne dass ihm jemand wirksam in den Arm fällt? Wie konnte er selbst den anscheinend einzigen Helfer, ihren Ehemann, noch lebensgefährlich verletzen? Wieso schießt der schließlich aufgetauchte Polizeibeamte nicht auf den Täter, sondern auf den ägyptischen Ehemann? Auf eine Frage allerdings ist eine Antwort womöglich heute schon möglich: Warum ist der Tod einer Kopftuchträgerin, die nicht Opfer eines Ehrenmords wurde, eine Woche lang nur eine kurze Meldung in den Nachrichtenagenturen und auch für die politischen Institutionen kein Grund, auch nur zu zucken?

Könnte es sein, dass dieser Tod – es wird wegen Mordes ermittelt – nicht in unser Raster passt? Eine junge Frau, Muslima, berufstätig, akademisch ausgebildete Apothekerin, duckt sich unter den massiven Beleidigungen ("Schlampe", "Islamistin", "Terroristin") auf einem Spielplatz nicht weg, sondern wehrt sich: Sie geht zur Polizei und zeigt den Mann an. Der wird verurteilt, während einer neuen Verhandlung bringt der Beleidiger sein Opfer um. Vielleicht schaut man da weg, weil das Hinschauen zu viele populäre Dogmen Lügen strafen würde. Den Lehrsatz "Bildung ist der Schlüssel zur Integration" zum Beispiel. Hier starb eine junge bestausgebildete Frau, verheiratet mit einem Landsmann, der in Sachsen am angesehenen Max-Planck-Institut arbeitete – wer weiß, ob das die Wut des Täters nicht sogar gesteigert hat? Oder nehmen wir den: "Islam und westliche Gesellschaft passen nicht zusammen". Marwa E. wehrte sich auf eine nicht nur rationale und zivile, sondern nebenbei auch überaus deutsche Weise: Statt zurückzubrüllen oder zuzuschlagen, erstattete sie Anzeige. Und eine weitere Wahrheit sollte schmerzen: Die Assoziation "Islam, Islamist, Terrorist", das alles ausgelöst durch den Anblick eines Menschen mit etwas dunklerer Haut und einem Kopftuch, lässt sich schwer als Einzelfall abtun. Seit Deutschland kaum nach dem 11. September 2001 den Krieg gegen den Terror durch Einführung der Rasterfahndung gegen alle eröffnete, die Bart oder Kopftuch und große muslimische Frömmigkeit zeigen, ist diese Assoziation in viel zu vielen Köpfen.

Da ist es nur folgerichtig, wenn die Bundeskanzlerin schweigt, wenn Sachsens Justizminister den Fall lediglich zum Anlass nehmen will, der "offenen Justiz" mit offenen Gerichtssälen den Garaus zu machen. Als Geert Mackenroth noch Vorsitzender des Deutschen Richterbundes war, rechtfertigte er im Tagesspiegel-Interview die Frankfurter Polizeifolter. Die Öffentlichkeit der Justiz ist ein, wenn nicht der Eckstein des modernen Rechtsstaats. Vor manchen seiner Minister muss sich der Rechtsstaat vielleicht mehr fürchten als vor der Scharia.

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