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PORTRÄT BARBORA SKRLOVA 33-JÄHRIGE KIND-FRAU:: „Anna konnte einfach nur spielen“

Sie machte sich optisch 20 Jahre jünger und lebte sogar in einem Kinderheim. Bisher weiß niemand warum. Auch Spekulationen um eine mögliche Sektenzugehörigkeit bleiben nicht aus.

Die Tricks kannte Barbora Skrlova schnell, mit denen sie sich als kleines Kind ausgeben kann: Ihre Brust bindet sich die 32-Jährige mit einem Tuch eng an den Körper, ein dickes Brillengestell verändert ihre Gesichtszüge und die langen geflochtenen Zöpfe machen sie nochmal ein paar Jahre jünger. Monatelang spielte die Erwachsene so ein 13-jähriges Mädchen und lebte sogar in einem Kinderheim – einzig die Frage nach dem Warum ist ungeklärt. Ganz Tschechien rätselt über den merkwürdigen Fall, in dem die Polizei auf Spuren von misshandelten Kindern und einer ominösen Psychosekte gestoßen ist.

Der Anfang der Affäre, in die dutzende Betreuer, Pflegeeltern und Kollegen verstrickt sind, liegt inzwischen fast ein Jahr zurück. Durch Zufall stößt die Polizei bei einer Familie im tschechischen Ort Kurim auf zwei kleine Jungen, die deutliche Misshandlungsspuren aufweisen. Sie kommen in ein Kinderheim – zusammen mit ihrer Adoptivschwester Anna. Die flüchtet gleich in der ersten Nacht aus dem Kinderheim, und erst als die Polizei sie später aufgreift, stellt sich heraus, dass das Mädchen in Wirklichkeit eine erwachsene Frau ist. Wie und wann sie in ihre ursprüngliche Pflegefamilie kam, ist bis heute ungeklärt. Ihr leiblicher Vater jedenfalls soll in den 80er Jahren eine sektenähnliche Vereinigung geleitet haben.

Damit ist die Causa eigentlich schon verworren genug, aber Skrlova verschwand erneut – und tauchte einige Monate später in Dänemark wieder auf. Dann verlieren sich ihre Spuren schon wieder. Erst, als die norwegische Polizei vermeldet, dass sie in einem Osloer Kinderheim eine Frau gefunden hat, die sich als 13-jähriger Junge ausgibt, werden die Behörden in Prag hellhörig. Tatsächlich handelt es sich wieder um Barbora Skrlova. Diesmal rasierte sie sich sämtliche Haare ab, nannte sich Adam und schlich sich in das Kinderheim ein.

Was hinter dem bizarren Fall steht, versuchen tschechische Polizisten gerade zu ermitteln. Inzwischen jedenfalls sitzt Skrlova in Tschechien im Gefängnis. Sie selbst hat bislang nur einmal öffentlich Stellung bezogen. Zur Klärung konnte sie allerdings wenig beitragen. „Zu Anna waren alle Leute immer nett“, sagte sie mit treuherzigem Blick, „und sie hatten an sie keine solchen Ansprüche wie an Erwachsene. Anna konnte einfach nur spielen!“ Seither gehen die tschechischen Polizisten auch dem Verdacht nach, dass Barbora Skrlova einfach nur an einer psychischen Störung leidet.

Kilian Kirchgeßner

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