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POSITIONEN: Machen wir es wie Kanada

Deutschland braucht mehr höher qualifizierte Einwanderer. Neuankömmlinge können dem zulassenden Gebiet und damit auch sich selbst nur dann etwas geben, wenn sie Fähigkeiten mitbringen, die über dem Niveau der zukünftigen Heimat liegen oder dort noch gar nicht vorhanden sind.

Als wir herausriefen ,,Schulversager der Welt kommt in unser Land!“, taten wir womöglich das Nobelste in der deutschen Geschichte. Denn wann hätte der einstige Gigant Mitteleuropas schon mal ein Volk befreit oder auch nur beschützt. Jetzt hat Deutschland sich in den eigenen Grenzen eine millionenstarke Minderheit geschaffen, die als eine Art Nebenvolk aller Fürsorge sicher sein darf.

Diese im globalen Vergleich grandiose Politik haben wir zum Januar 2007 noch einmal als ewig und unverrückbar festgeschrieben, indem wir unter den Einbürgerungskriterien die Brauchbarkeit für den Arbeitsmarkt auf den fünften und letzten Platz setzten. Ungeachtet der Qualifikation stehen andere Bürger der Europäischen Union auf dem ersten Rang. Danach folgen Angehörige von bereits hier Versorgten aus nicht EU-Ländern, dann in ihrer Heimat nach unserem Recht Diskriminierte und schließlich die Illegalen, die noch im Untergrund leben. Weil bei uns der Wert des Menschen als solcher gilt, weisen wir Nützlichkeitserwägungen ins politische Abseits.

Dass all dies Edle nur durchzuhalten ist, wenn es mit Augenmaß getan wird, hat im Geheimen vielleicht schon mancher geahnt. Dass allerdings in Berlin jemand den Verstand haben würde, das auch auszusprechen, hat fast niemand mehr gehofft. Und doch tat Bundespräsident Horst Köhler in seiner Rede am 17. Juni genau dieses.

Er erinnert uns an Nationen, die aus unserer Sicht etwas ganz Merkwürdiges tun: Sie verlangen von Fremden dasselbe wie von ihren eigenen Kindern. Diese werden es nur dann einmal besser haben, wenn sie bessere Qualifikationen erwerben als ihre Eltern. Ganz entsprechend können Neuankömmlinge dem zulassenden Gebiet und damit auch sich selbst nur dann etwas geben, wenn sie Fähigkeiten mitbringen, die über dem Niveau der zukünftigen Heimat liegen oder dort noch gar nicht vorhanden sind. In den Worten des Präsidenten: ,,Manche westlichen Demokratien wählen ihre Zuwanderer so intelligent aus, dass die höher gebildet sind als im Durchschnitt die Einheimischen.“

Natürlich hätte Horst Köhler im gleichen Atemzug solche Demokratie schelten können, dass sie einfach jene abweisen, die dann bei uns Unterhalt findet. Das zu unterlassen, hat gewiss auch die Diplomatie geboten. Aber hätte er Kanada dafür getadelt, dass fast hundert Prozent seiner Einwanderer hochqualifiziert sind und nicht nur fünf wie bei uns, dann hätte er aus Redlichkeit noch etwas hinzufügen müssen: Kanada ist weltweit die erste Nation, in der die Kinder der Zuwanderer in allen Tests intelligenter abschneiden als die Kinder der vor Ort Geborenen. In Deutschland hingegen liegt das Leistungsniveau der Migrantenkinder tiefer unter dem landeseigenen Durchschnitt als irgendwo sonst auf der Welt.

Der Bundespräsident weiß um diese Zahlen. Aber diplomatisch verhält er sich eben nicht nur gegenüber unseren Verbündeten, sondern sanft bleibt er auch im Umgang mit den Politikern der eigenen Republik. Nun bleibt abzuwarten, ob der präsidiale Takt zum Anlass genommen wird, seine Ermutigung gleich wieder in den Wind zu schlagen oder dazu, auch hierzulande mit einer ,,kluge Einwanderungspolitik“ zu beginnen.

Der Autor ist Zivilisations-

forscher. Er unterrichtet an der

Universität Bremen.

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