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Was WISSEN schafft: Berlins Gifthaufen

Unsere besten Freunde? Hunde tragen tückische Keime in sich, die gefährlichsten davon hat er den Menschen zu verdanken.

Des Menschen bester Freund ist auch sein erfolgreichster Feind: Rund 50 000 Hundebisse werden alleine in Deutschland jährlich gezählt. Weil Herrchen und Frauchen nicht gerne zugeben, dass ihr kinderlieber Zampi oder Bello auch mal zuschnappt, dürfte die Dunkelziffer weit höher liegen. Besonders gefährdet sind Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren – wenn kleine Zweibeiner unbedarft herumtollen, provoziert das den Wolf im Waldi. Besonders häufig in diesem Alter sind Bissverletzungen im Gesicht und Schädelprellungen durch Umschubsen.

Manch bissiger Köter schrieb sogar Geschichte. Die erste Gesichtstransplantation der Welt fand in Lyon im Jahre 2005 statt, weil einer Französin Mund und Nase abgebissen worden waren. Tödliche Verletzungen gelten dagegen als extrem selten. Etwa vier Todesfälle werden pro Jahr in Deutschland registriert, das liegt in der Größenordnung von Blitzschlägen.

Doch möglicherweise kommen weit mehr Menschen durch Hunde um. Wie Infektiologen der Universität in Tampa (Florida, USA) diese Woche berichten, tragen Hunde immer häufiger gefährliche Krankheitserreger in sich. Darunter sind auch Bakterien, die Entzündungen der Hirnhäute und Herzklappen verursachen können. Wegen ihres manchmal schleichenden Beginns werden diese Krankheiten nicht immer mit dem vorangegangenen Hundebiss in Verbindung gebracht.

Die gefährlichsten Keime hat der Hund bezeichnenderweise seinem besten Freund zu verdanken. Durch den verbreiteten Einsatz von Antibiotika haben sich multiresistente Bakterien entwickelt. Bestimmte Staphylokokken etwa (MRSA), die gegen zahlreiche Antibiotika unempfindlich sind, springen vom Menschen auf Haustiere und zurück. Berüchtigt ist der Fall eines Intensivpflegers, der in einer britischen Klinik mehrere Patienten mit MRSA angesteckt hatte. Trotz Behandlung des Pflegers und seiner Frau kamen die gefährlichen Keime immer wieder. Schließlich stellte sich heraus, dass die erneuten Infektionen vom Hund des Ehepaares ausgegangen waren – der Pfleger hatte die resistenten Keime aus dem Krankenhaus mitgebracht und sowohl seine Frau als auch den Hund angesteckt.

Doch Hunde können sich nicht nur durch Beißen und Kratzen für die übertragenen Keime revanchieren. Auch im Hundekot finden sich zunehmend resistente Bakterien – unter anderem als Folge des Antibiotika-Einsatzes in der Tiermedizin. Hinzu kommen Salmonellen und andere Durchfallerreger sowie zahlreiche weitere Bakterien und Parasiten. Während schwere Erkrankungen wie (von Hunden übertragener) Fuchsbandwurm oder Leptospirose hierzulande selten sind, dürften Durchfälle bei Kindern häufiger auf Kontakt zu den geliebten Vierbeinern oder deren Hinterlassenschaften zurückzuführen sein. Genaue Zahlen hierzu gibt es, mangels einschlägiger Untersuchungen, jedoch nicht.

Dass das „Hundehäufchen“ auf Gehwegen, in Parks und sogar auf Spielplätzen immer noch als Kavaliersdelikt gilt, ist deshalb unverständlich. Alleine auf Berliner Straßen und Grünflächen hinterlassen die Vierbeiner täglich die stattliche Menge von 55 Tonnen Kot – und der besteht zu rund neunzig Prozent aus Bakterien. Das offizielle Bußgeld von 35 Euro für solche Hinterlassenschaften scheint nicht wirklich abzuschrecken.

In New York City verschwanden die Tretminen erst von den Straßen, nachdem die Strafe auf 250 Dollar erhöht worden war. Seitdem sammeln New Yorker Hundehalter, zumindest in den feineren Stadtteilen, die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge geflissentlich mit dem „Pooper-Scooper“ ein. Das hat auch Vorteile für die Hunde: Seitdem sich Herrchen und Frauchen so intensiv mit ihrem Kot beschäftigen, werden Darmkrankheiten schneller erkannt und behandelt – es geht eben nichts über wahre Freunde.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

Alexander S. Kekulé

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