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Meinung: Kommunalwahl in Niedersachsen: Der Norden ist doch nicht rot

Politiker verteilen gern Erbhöfe, und so verwunderte es in den vergangenen Monaten nicht, dass Kanzler Gerhard Schröder in Hintergrundgesprächen immer einen Namen als seinen möglichen Wunsch-Nachfolger nannte: den niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel, seinen Nach-Nachfolger in Hannover.Es schien ja auch alles so gut zueinander zu passen: Der Mann ist erst 41 Jahre alt, bringt eine Menge Schwung in die Politik, will die Partei modernisieren und baut zudem auf eine solide absolute Mehrheit im Landtag - die einzige der SPD in einem Bundesland.

Politiker verteilen gern Erbhöfe, und so verwunderte es in den vergangenen Monaten nicht, dass Kanzler Gerhard Schröder in Hintergrundgesprächen immer einen Namen als seinen möglichen Wunsch-Nachfolger nannte: den niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel, seinen Nach-Nachfolger in Hannover.

Es schien ja auch alles so gut zueinander zu passen: Der Mann ist erst 41 Jahre alt, bringt eine Menge Schwung in die Politik, will die Partei modernisieren und baut zudem auf eine solide absolute Mehrheit im Landtag - die einzige der SPD in einem Bundesland. Dass Gabriel auf eine starke Basis bauen kann, hat er selbst immer wieder durchblicken lassen. Die SPD, so verlautete es stets aus der Staatskanzlei in Hannover, sei in Niedersachsen so fest verwurzelt wie die CSU in Bayern oder die CDU in Baden-Württemberg. Der Süden ist schwarz, der Norden rot, und Niedersachsen dabei besonders rot - so beschrieb Gabriels Umfeld die politische Farbenlehre.

Am Sonntag nun wurde dieses Schubladendenken Lügen gestraft. Denn nicht die SPD ist der Sieger der Kommunalwahlen, auch wenn am Sonntagabend die Resultate aus der Landeshauptstadt Hannover diesen Eindruck erweckten. In Wirklichkeit hat die CDU ihre starke Position behauptet und gar ausgebaut. 42,6 Prozent erreichten die Christdemokraten bei den Kreistagswahlen landesweit - das rückt in die Nähe süddeutscher Verhältnisse. Zwar fällt Hannover aus der Reihe, hier sind die Sozialdemokraten wirklich stark. In Oldenburg und Lüneburg ebenfalls. Aber darüberhinaus ist es die CDU, die von einer stabilen kommunalen Basis in Niedersachsen reden kann.

Die niedersächsische SPD wirkt also im bundesweiten Vergleich stärker, als sie in Wirklichkeit ist, und für ihren Ministerpräsidenten gilt das ebenfalls. Angesichts dieses bescheidenen Wahlergebnisses ist keinesfalls sicher, dass Sigmar Gabriel sein Amt bei der Landtagswahl in anderthalb Jahren verteidigen kann. Und Oppositionsführer Christian Wulff, der zweimal erfolglos bei einer Landtagswahl gegen Gerhard Schröder angetreten ist, hat aus heutiger Sicht im dritten Anlauf 2003 noch lange nicht verloren.

Dies alles zehrt am Gewicht Gabriels in der Runde der SPD-Ministerpräsidenten. Bisher hat der forsche Politiker dort stets das Wort geführt - neben Wolfgang Clement aus Nordrhein-Westfalen. Künftig wird Gabriel wohl auf Normalmaß zurechtgestutzt. Zumindest wird nicht mehr unausgesprochen eine absolut stabile SPD-Mehrheit mitschwingen, wenn sich Sozialdemokraten aus Niedersachsen in einer bundespolitischen Debatte melden. Und der Kanzler-Bonus, den die Genossen in Niedersachsen bisher stets für sich reklamieren konnten, ist nun offenbar auch aufgebraucht.

Das zeigt, wie stimmungsabhängig die Landtagswahl von 1998 war, die der SPD und ihrem damaligen Ministerpräsidenten Schröder noch 47,9 Prozent der Stimmen bescherte. Das sind fast zehn Prozentpunkte mehr als bei der jetzigen Kommunalwahl. Damals war die Landtagswahl von der SPD zu einer vorgezogenen Bundestagswahl umfunktioniert worden, zu einer Abstimmung über den SPD-Kanzlerkandidaten. Viel spricht dafür, dass der Gedanke an Schröder und Lafontaine die Wähler seinerzeit mobilisiert hat. Wenn Schröders gute Ergebnisse Beleg für einen "roten Norden" gewesen wären, dann hätte sich dies auch im Ergebnis der Kommunalwahl niederschlagen müssen.

Die Kommunalwahl endet für die SPD ernüchternd. Sie hat kein Stammland Niedersachsen vorzuweisen, vergleichbar mit dem Süden der Republik für die Union. Und wenn in zwei Wochen Hamburg verloren gehen sollte, hätten die Sozialdemokraten nicht einmal mehr eine Stamm-Stadt.

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