zum Hauptinhalt
Das brennende Gewerkschaftsgebäude in Odessa.

© dpa

Konflikt in der Ukraine: Genf II muss her

In vielen Gebieten der Ukraine herrscht rohe Gewalt – das ist Bürgerkrieg. Der erste Befriedungsversuch von Genf hat offenkundig nicht weit getragen. Es muss zügig eine zweite Runde einberufen werden - mit Vertretern von allen Seiten.

Endlich: Die Geiseln aus Slawjansk sind frei. Das ist mal eine gute Nachricht aus der Ukraine. Die Männer und ihre Familien können aufatmen, auch wenn sie wohl noch eine ganze Weile mit den Folgen des Kidnappings zu kämpfen haben werden. Wer auch immer an der Entlassung Anteil hatte, das ist ein Erfolg.

Doch bei aller Freude über die Freilassung der Militärbeobachter der Organisation für Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwiegt an diesem Wochenende einmal mehr das Erschrecken. Der Chef der Freigelassenen sagte, er wolle nur schnell raus aus der Ukraine. Er habe die Feuergefechte die ganze Zeit mitbekommen und möchte so etwas niemandem zugemutet wissen. Der Mann ist Soldat. Wie fürchterlich muss also die Situation für all die Zivilisten sein, die in Slawjansk zu Hause sind und wohl kaum alle dem selbsternannten Volksbürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow und seiner Separatistentruppe angehören oder seiner Ideologie folgen? Bürger, die nicht dazugehören, werden sich wahrscheinlich derzeit dort kaum aus der Deckung wagen. Kaum besser scheint die Lage in Odessa zu sein. Bestialisch haben dort selbsternannte Milizionäre pro-russische Anhänger einfach angezündet, und die Polizei hat offensichtlich tatenlos zugesehen, wie Dutzende Menschen jämmerlich verbrannt sind. In vielen Gebieten der Ukraine herrscht offenkundig die rohe Gewalt – das ist Bürgerkrieg.

Die Bilder aus Odessa müssten ein Weckruf für alle Beteiligten sein, die Gewalt zu beenden, mahnte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, aus Moskau tönte es wieder einmal, Kiew und der Westen seien schuld. Es ist schon wie ein bitteres Ritual. Gleichzeitig schleicht sich eine böse Vermutung an: Ist die Gewalt in all den Städten, aus denen Hiobsbotschaften kommen, außer Kontrolle? Herrschen in der Ukraine längst afghanische Verhältnisse, nur keiner will es aussprechen? Das wäre fatal.

Wenn die abermalige Eskalation wirklich ein Weckruf sein soll, dann bringen Worte von hüben nach drüben und von drüben nach hüben nicht weiter. Der erste Befriedungsversuch von Genf hat nicht weit getragen. Trotzdem oder vielleicht gerade darum sollten die Interimsregierung in Kiew und die als Vermittler oder Schutzmächte auftretenden Staaten zügig ein Genf II einberufen. Allerdings müssten dort auch Vertreter aus den Regionen der Ukraine mit am Tisch sitzen – und zwar jeweils von den verschiedenen Seiten. Die unsicher agierende Kiewer Regierung hat für die Zeit nach den Wahlen etwas mehr Autonomie für die einzelnen Landesteile in Aussicht gestellt. Doch wenn die auseinanderstrebenden Kräfte nicht rasch miteinander ins Gespräch kommen, dürfte fraglich sein, ob es am 25. Mai überhaupt Wahlen geben wird. Die Abstimmung aber ist überaus wichtig für das Land und seine Bürger.

Es dürfte nicht einfach sein, Delegierte zu benennen. Dennoch sollten die Diplomaten auf allen Seiten alles daransetzen, eine solche Runde zusammenzubringen. Nach den Erfahrungen vom ersten Genfer Treffen muss es wohl gleich auch einen ständigen Konsultationsmechanismus geben, zu dem sich alle Seiten verpflichten. Das ist nötig, damit sich nicht gleich am nächsten Morgen, wenn die Minister wieder weg sind, niemand mehr an die Absprachen gebunden fühlt, weil jeder sie anders meint auslegen zu können. Die Menschen in der Ukraine sollten der Welt diese Anstrengung wert sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false