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Meinung: Konjunktur: Gegensteuern erfordert Mut

Nur noch ein Prozent Wachstum in diesem Jahr? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, das DIW, hat nun mit seiner neuen Zahl die Nase vorn im Wettlauf der Institute um Negativmeldungen.

Nur noch ein Prozent Wachstum in diesem Jahr? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, das DIW, hat nun mit seiner neuen Zahl die Nase vorn im Wettlauf der Institute um Negativmeldungen. Morgen wird jemand die Null vor dem Komma verkünden. Wissenschaftlich begründen lassen sich die laufenden Korrekturen um Zehntelprozente nicht. Aber der Trend stimmt und macht Sorgen. Die Wirtschaft in der Bundesrepublik droht einzubrechen, so wie der Neue Markt. Eben noch in betäubend schöner Blüte und nun schon dahin gewelkt. Mit ihm gehen die Hoffnungen vieler auf schnellen Reichtum oder nachhaltigen Wertzuwachs dahin. Und so schwinden auch die Hoffnungen von Gerhard Schröder auf kräftiges Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Die Stimmung in den Unternehmen wird mieser. Täglich neue Gewinnwarnungen an den Börsen und dramatische Kursverluste sogar bei den stolzesten Standardwerten der alten, soliden Ökonomie. Da verwundert es nicht, wenn die Rufe nach Gegensteuern immer lauter werden.

Aber was kann man tun, den Abwärtstrend zu stoppen? Die CDU hat einen 10-Punkte-Plan vorgelegt. Von Gewerkschaftseite hören wir Ursula Engelen-Kefer und Klaus Zwickel mit alten Forderungen: Überstunden abbauen, Arbeitsplätze schaffen, einen kräftigen Schluck aus der Tarif-Pulle nehmen, damit der Konsum ansteige. Altkanzler Helmut Schmidt rät von Konjunkturprogrammen ab. Sie nützen nichts und kommen, siehe Japan, immer zu spät. Die Bundesregierung hat lange Zeit die Warnzeichen als Defätismus und Panikmache verharmlost. Nun kommt sie unter einen gefährlichen politischen Zugzwang. In Notlagen wird selten weitsichtig entschieden. Was rät die Wissenschaft? Alles. Die bunte Clique der Experten aus der Ökonomie wirft wie immer widersprüchliche Rezepte auf den Markt. Beherzte Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank, EZB, oder besser nicht, Steuern schneller runter oder doch nicht, Konjunkturprogramme für die Bauwirtschaft oder lieber keine. Wissen macht handlungsfähiger, heißt es. Aber welches Wissen ist das richtige?

Die Frage führt zu den Gründen für die plötzliche Talfahrt. Der Ausgangspunkt der konjunkturellen Bremsspur liegt in den USA. Dort platzte die Spekulationsblase der New Economy. Die Folge war ein kräftiger Einbruch. Das drückt weltweit auf die Stimmung. Aber die deutschen Exporte in die USA machen nur einen geringen Anteil aus. Dann die Teuerung: Sie hat die erhofften 23 Milliarden Mark aus der Steuersenkung bei den Verbrauchern fast gänzlich weggefressen. Und schließlich der Börsencrash auf Raten, mit einer gewaltigen Vernichtung von Vermögen. Das alles ist jedoch nicht nur ein deutsches Schicksal. Es hat viele Länder getroffen und die Weltwirtschaft abgekühlt. Dieser Teil des Abschwungs ist nicht Schröders Abschwung. Aber verantworten muss er die große Entäuschung über unterlassene oder halbherzige Reformen. Das ist oft gesagt worden, gerade erst vom Internationalen Währungsfonds, dem IWF.

Nun lassen sich die Zyklen politischer Entscheidungsneigung im Laufe einer Legislaturperiode nicht leicht außer Kraft setzen. Im Jahr vor der Wahl wird nicht mehr reformiert, sondern taktiert. Da kann nur die nackte Angst, die Wahlen wegen einer wachstumsmüden Wirtschaft zu verlieren, etwas bewegen. Wirtschaftskompetenz ist in Deutschland immer wahlentscheidend. Was sollte die Regierung also tun? Einen mutigen Schritt nach vorne und die nächste Stufe der Steuerreform vorziehen! Damit gefährdet sie nur scheinbar die Konsolidierungsziele von Hans Eichel. Die Wirkungen in den Finanzkassen wären bis zum Wahltermin in 2002 noch kaum spürbar. Aber es würde die Stimmung im Lande positiv gewendet. Und auf mittlere Sicht fördern niedrigere Steuern immer Wachstum und damit auch das Steueraufkommen. Ganz so wie es der Ökonom Arthur Laffer in seiner berühmten Laffer-Kurve abgebildet hat. Und an die hat sich die Realität bisher zuverlässig gehalten. Diese Realität verbindet sich mit der alten Erfahrung, dass Wirtschaft eben immer auch Psychologie ist. Ob Schröder das erkennt, wird seine Wiederwahlchance entscheidend beeinflussen - so oder so.

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