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Meinung: Konkurrenz der Quoten

Jenseits von TV-Shows sucht kaum noch einer nach den Besten.

Große Abstimmungen sind gerade vorbei, und sie werfen ein Licht auf die, die als nächste kommt.

Deutschland hat den Superstar gefunden, Germany sein nächstes Topmodel, und Sonntagnacht erst Europa ein Lieblingslied. Es waren Abstimmungen, denen jeweils lange Auswahlverfahren vorangingen. Über Monate wurden Bewerber ausgesiebt, es kamen nur diejenigen weiter, die ihre Eignung in immer neuen Tests demonstriert hatten. Sie sollten am Ende die Besten sein.

Das geschah in pompöser Inszenierung vor den Augen aller, die es sehen wollten. Es waren harte Wettbewerbe, und am Ende ließ ein Gewinner bis zum Horizont nur Verlierer zurück.

Zwar ist das Titelversprechen der Wettbewerbe total übertrieben – der Superstar ist kein richtiger Superstar, und das Topmodel kein richtiges Topmodel –, doch das macht offenbar weder den Kandidaten noch den Zuschauern etwas aus. Es geht um den Wettbewerb an sich, wie im Sport: um die Frage nach Top oder Flop, danach, ob ein Stückchen Kohle unter Druck zum Edelstein wird oder zerbröselt.

Von dem Anspruch, in mehr oder weniger transparenten Verfahren die Besten für eine klar definierte Aufgabe zu finden, haben sich andere Auswahlverfahren längst verabschiedet. Erkennbar tritt Wettkampf meist da zu Tage, wo sein Ausgang bedeutungslos ist. Je unwichtiger das Thema, desto ausufernder die Kandidatenprüfung. Statt dass es umgekehrt so wäre – und harte Auswahlverfahren da vorkämen, wo es um etwas geht. Aber da, so der sich verfestigende Eindruck, verliert Qualifikation an Bedeutung.

Die nächste große Abstimmung, die ansteht, ist die Europawahl am 25. Mai. Landauf, landab sind Laternenpfähle behängt mit Wahlplakaten. Die Vielfalt der Wettbewerber ist groß. Doch viele Botschaften sind unklar, und auch, wer wofür antritt. Wie sollen so die Besten ausgewählt werden?

Wenn die CDU ihre Vorsitzende als Werbung zeigt, passt das Gesicht nicht zum Gremium, das gewählt wird. Wenn sie Jean-Claude Juncker als Wunschkandidaten der europäischen Konservativen für das Kommissionschefamt vorzeigt, obwohl das Parlament gewählt wird, und der wiederum Eurobonds für möglich hält, also die Vergemeinschaftung der Schulden von Europas Ländern, was der deutsche CDU-Kandidat David McAllister ablehnt wie auch die Kanzlerin und ihre große Koalition (siehe Koalitionsvertrag), verwirrt das. Die SPD macht es genauso, wenn sie mit Martin Schulz ebenfalls einen Eurobonds-Befürworter als Spitzenkandidaten für das Kommissionschefamt aufstellt, unbenommen des mitgetragenen Neins im Koalitionsvertrag.

Transparent ist das nicht, und es entsteht statt eines spannenden Wettbewerbs ein Gewurschtel. Ein Wettkampf, der sein Publikum finden soll, braucht klare Regeln und begeisterte Wettbewerber. Die Fernseh-Wettstreitinszenierer wissen das. Und es würde nicht wundern, wenn sie ein Mittel gegen sinkende Einschaltquoten in der Verschärfung des Wettbewerbs sehen.

Das Gegenteil davon geschieht da, wo es wichtig ist. Die Partei der Grünen macht seit Jahrzehnten vor, dass man auch ohne die Besten auskommt, weil sie sich die Formalie einer Mann-Frau- Doppelspitze vorgeschrieben hat. Lieber Geschlechterproporz als die Besten. Die Linkspartei hat auf ihrem am Sonntag zu Ende gegangenen Wahlparteitag in Berlin beschlossen, ihre Fraktionsspitze mit demselben Proporz zu reglementieren. Auf derselben Veranstaltung hat die stellvertretende Parteichefin Sahra Wagenknecht vor der Dominanz ostdeutscher Politiker bei der Postenvergabe gewarnt und eine gleichgewichtige Verteilung auf Ost- und Westmitglieder angemahnt.

Einen Regionalproporz pflegt auch die CSU. Der stellt Ausgewogenheit zwischen Bayern und Franken her. Der kurzzeitige Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich geriet so an sein Amt, und auch die Besetzung des Bundesumweltministeriums wurde eher durch Proporz als durch Qualifikation beeinflusst. Weiblich und aus Nordrhein-Westfalen, weil das in der SPD ein wichtiger Landesverband ist. Ja, und wie heißt sie denn noch gleich? Statt einer Konkurrenz der Besten gibt es eine Konkurrenz der Quoten.

Die Superstarsucher setzen sich solchen Skrupeln nicht aus. Achtmal war ein Mann Gewinner, dreimal eine Frau. Waren halt nicht besser. Auch die Topmodeljury denkt quotenfrei, müsste sonst nicht mal wieder eine Kurzhaarige gewinnen? Oder mal eine Asiatin? Oder eine kleine Dicke?

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