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KONTRA Punkt: Frühe Ampel (Land) verhindert späte Ampel (Bund)

Warum die NRW-FDP nicht mit Rot-Grün koalieren darf.

Wie viele Liberale gibt es, die die FDP wählen, weil sie wollen, dass der deutsche Staat endlich mal ordentlich prasst, sämtliche Öko-Vorschriften verschärft, die Rente mit 67 kassiert und den verschuldeten Euro-Ländern das Sparen erspart? Diese Frage, so absurd sie klingt, könnte am Sonntagabend in Nordrhein-Westfalen zur Schlüsselfrage werden. Dann nämlich, wenn es für Rot-Grün nicht reicht, die FDP es aber mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Lindner in den Landtag schafft.

In diesem Fall wird Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wohl auf die Ampel-Idee kommen. Und da Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstes und industriestärkstes Bundesland immer auch eine politische Trendsetter-Funktion hat, wäre die Ampel vor allem bundespolitisch ein starkes Signal. Eine Ampel in NRW, so lautet eine sozialdemokratische Hoffnung, könnte das Ende der Regentschaft von Angela Merkel einläuten. Und zwar nur eine Ampel. Sie ist für Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück die derzeit einzig realistische Machtoption. Rot-Grün dürfte im Bund allein keine Mehrheit haben, jede andere Koalition – ob mit den Piraten oder der Linkspartei – scheidet aus Verantwortungsgründen aus.

Die NRW-Wahl als Anfang von Merkels Ende? In diesem Moment kommt die FDP ins Spiel. Denn ohne sie kein Machtwechsel im Bund. Spricht nicht vieles dafür, dass die FDP ihre koalitionäre Flexibilität mal wieder erhöht? Es wäre nicht das erste Mal. Das Bündnis mit der Union hat ihr wahrlich nicht gutgetan. Und Opposition ist bekanntlich Mist.

Die CDU wird bereits argwöhnisch. Sollte es nicht für eine rot-grüne Mehrheit in NRW reichen, werde Lindner seine Partei zum „Steigbügelhalter“ für Rot-Grün machen, orakelt der Generalsekretär der NRW-CDU, Oliver Wittke. Dabei könnte seiner Partei im Bund kaum etwas Besseres passieren. Denn die Sache ist vertrackter. Käme es in NRW zu einer Ampel, wäre das Wahlvolk gewarnt. Lindner, der die Swingerei gewagt hätte, wäre gleichzeitig der starke Mann in seiner Partei. Jeder weiß dann: Lindner wählen, heißt Gabriel wählen, heißt Jürgen Trittin und Claudia Roth wählen, heißt Machtgeklammere statt Freiheitlichkeit. Kann Lindner sich das leisten?

Sicher, da gibt es einen Restbestand an sozialliberaler Identität in der FDP. Um Bürgerrechte und Datenschutz sorgen sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Burkhard Hirsch und Gerhart Baum. Auch sie haben Anhänger. Aber der Mainstream setzt auf einen schlanken Staat, auf Sparen statt Verschulden, weniger statt mehr Regularien, einen auch fordernden statt nur fördernden Sozialstaat. Euro- und Öko-Paternalismus lehnt die FDP eigentlich ab.

Der Preis für eine Ampel in NRW wäre für die Partei folglich hoch. Eine Machtbeteiligung an einer rot-grünen Regierung in Düsseldorf würde die FDP mit dem kompletten Mandatsverlust im bundesdeutschen Parlament bezahlen. Liberale, die in NRW Ja zur Ampel sagen, können in Berlin zu nichts mehr Ja sagen, nur noch Amen zur eigenen Totenrede.

Mit anderen Worten: Bis zur Bundestagswahl muss die FDP loyal bleiben. Sie darf von einem Partnerwechsel träumen, aber weder über ihn reden noch gar ihn vollziehen. Angst haben muss Merkel allein vor einer rot-grünen Regierungsmehrheit in NRW plus dem Sprung der FDP über die Fünfprozenthürde. Dann, ja dann werden sich viele an das Jahr 2005 erinnert fühlen, als Gerhard Schröder nach einem Debakel für die NRW-SPD prompt Neuwahlen ausrief. Merkels Trost: Sie weiß, wie dieses Experiment ausging.

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