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Einsatz in Afghanistan: Dass die Bundeswehr in Kundus kämpft, bringt Deutschland den Hass islamistischer Terroristen ein.

© dpa

Kontrapunkt: Al Qaidas Zorn zeichnet uns aus

Auf der Hassliste der Islamisten rückt Deutschland vor. Das macht uns Angst. Aber Angst ist kein gutes Argument, um Einsätze der Bundeswehr zu bewerten. Und Al Qaidas Zorn ist eine Auszeichnung für uns. Ein Kontrapunkt.

Von Markus Hesselmann

Wer immer mal wieder in London ist, mag Ähnliches schon erlebt haben: Auf der Bank gegenüber in der U-Bahn sitzt ein noch gar nicht so alter, dafür umso bärtiger Herr. Er hat die Augen geschlossen und murmelt arabisch Klingendes. Er hat einen Rucksack dabei. Sicher ein ganz harmloser Mensch, habe ich mir in genau dieser Situation gesagt. Ein Gläubiger halt, kein Fundamentalist. Aber hatten nicht auch die Londoner U-Bahn-Attentäter ihre Sprengsätze in Rucksäcken versteckt? Das wäre doch jetzt zu klischeehaft... Aber was murmelt der denn die ganze Zeit so monoton? Sind das Koran-Verse? Ein letztes Gebet…

Völliger Unsinn natürlich. Vorsichtshalber bin ich aber trotzdem an der nächsten Station ausgestiegen, muss ich zugeben. Denn ich bin Deutscher und so etwas nicht gewohnt, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon einige Zeit in London gelebt hatte. Um mich herum im Waggon blieben ansonsten alle sitzen und zwar völlig entspannt. Britisch routiniert im Umgang mit tatsächlichen und vermeintlichen Terrorgefahren.

Einen Hauch davon erleben wir in diesen Tagen, wenn vor Al-Qaida-Terroristen gewarnt wird, die auf dem Weg nach Deutschland seien. Es ist - so schrecklich das klingt - für uns Deutsche ein Ankommen in der Normalität, seit die Bundeswehr das Kämpfen in Krisengegenden nicht mehr nur den anderen, vor allem Briten und Amerikanern, überlässt.

Ob dieser oder jener Bundeswehr-Einsatz richtig ist oder nicht, darüber debattieren wir zu Recht kontrovers und in aller Offenheit. Angst ist aber auch dabei kein gutes Argument. Und so ist es bestenfalls unglücklich, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle heute in derselben Zeitung den beginnenden Abzug aus Afghanistan für 2012 ankündigt, in der die Bundesregierung auf der Titelseite vor Terroranschlägen warnt. Denn es wirkt, als ob unsere Repräsentanten sich dem Druck von Terroristen beugen.

Eigentlich ist Al Qaidas Zorn für uns eine Auszeichnung. Wenn Amerikaner, Briten und Juden auf der „Hassliste“ der Islamisten ganz oben stehen, dann ist das eine Gesellschaft, in der wir Deutschen uns wohlfühlen dürfen. Immerhin sind wir ja jetzt auf Platz vier, wie wir jetzt erfuhren. Wobei diese spezielle Top Four doch die Frage aufwirft, wo sich da eigentlich amerikanische, britische und deutsche Juden einordnen sollen. Wenn es nicht so zynisch klänge, weil es hier um potenziellen Massenmord geht, könnten wir historisch analytisch festhalten: Deutschlands langer Weg nach Westen kommt hier zum Abschluss. Das ist prinzipiell gut. Jetzt müssen wir nur noch mit Al Qaida fertig werden – gemeinsam mit Briten und Amerikanern, ob sie nun jüdisch sind oder nicht.

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