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Herausforderer Jan Stöß: Droht durch seine Kandidatur ein Parteitag auf unterirdischem Niveau?

© dpa

Kontrapunkt: Berliner SPD: Schiffeversenken in eigener Sache

Hinter der Kampfkandidatur von Jan Stöß um den Parteivorsitz der Berliner SPD scheint kaum mehr zu stecken als die Lust eines abgelösten Bezirksstadtrats, mal etwas anderes zu machen. Es droht ein peinlicher Parteitag im Juni.

Bisher konnte man denken, der 9. Juni wird nur deshalb spannend, weil da Deutschlands erstes Spiel bei der Europameisterschaft ansteht; am Abend geht es gegen Portugal. Doch jetzt bietet ausgerechnet die Berliner SPD, sonst eher nicht als Hort des gehobenen, spannungsreichen Vergnügens bekannt, ein echtes Gegenprogramm: Just an diesem Tag soll der langjährige Landesvorsitzende und Wowereit-Vertraute Michael Müller gestürzt werden. Das lässt nur einen Schluss zu: Inmitten einer ihrer erfolgreichsten Phasen geht es den Berliner Sozialdemokraten einfach zu gut.

Ja, schon klar, Demokratie braucht den Wandel, die Abwechslung und Alternativen, kein Regierungschef regiert ewig, und eine Regierungspartei verödet, wenn sie zu sehr regiert und zu wenig Partei ist. Aber was die Berliner SPD derzeit anrichtet, ist nichts anderes als eine Art Schiffeversenken in eigener Sache, bevor die Piraten das übernehmen.

Es geht dabei nicht direkt um Klaus Wowereit, aber um sein Erbe, also: seine Nachfolge. Dafür galt lange Zeit Müller als gesetzt. Den Fraktionsvorsitz ist er schon losgeworden, seit er nun – endlich – auch mal Senator ist; dort versucht sich jetzt Raed Saleh, allerdings ist das Durcheinander unter den Abgeordneten seitdem beträchtlich. Den Parteivorsitz will nun Jan Stöß übernehmen. Stöß und Saleh repräsentieren den linken Flügel der Partei. Wie die SPD da zum Fliegen kommen will bei einer nächsten Wahl, womöglich ohne Wowereit, aber gegen eine wiedererstarkte CDU, bleibt einstweilen das Geheimnis der beiden.

Kurioserweise findet der Führungskampf in der SPD überwiegend auf einer Ebene statt, auf der sich bisher in Berlin vor allem die FDP gut auszukennen schien – der unterirdischen. Und anscheinend sind die Ämterstürmer darin geübter, selbst wenn nicht alle miesen Methoden, die ihnen unterstellt werden, tatsächlich die ihren sind. Aber das strategische Besetzen von Vorfeldposten mittels wanderdünenartiger Mitgliederbewegungen beherrschen sie, und die Idee einer Mitgliederbefragung konnten sie im Vorstand kippen. Bei den latent nöligen Delegierten rechnen sich die Stöß-Leute bessere Chancen aus als bei den weitgehend zufriedenen, weil mit Wahlsiegen verwöhnten einfachen Parteigängern.

Die Frage ist nur, was das alles soll und wohin das führt. Stöß lobt zwar vordergründig das Wirken von Wowereit und Müller. Aber im Kern seiner Erklärung, mit der Stöß seine Kandidatur begründet, unterstellt er den beiden, der Partei massiv zu schaden. Demnach gebe es keine inhaltliche Diskussion in der SPD, außerdem sei sie langweilig und unkreativ.

Eine zu harte Zustandsbeschreibung, die allerdings auf einen Bezirksverband zutrifft: auf Friedrichshain/Kreuzberg. Hier sind die Sozialdemokraten auch noch reichlich unerfolgreich, immer wieder werden sie von den Grünen abgehängt. Zufällig heißt ihr Kreisvorsitzender Jan Stöß.

Aber Parteitage der SPD sind ein Festival der Irrationalität. Ergriffen überzeugt werden etliche Delegierte dem vermeintlichen Argument zustimmen, dass sich ein hohes Parteiamt nicht verträgt mit einem hohen Regierungsamt. Dabei ist das gerade in der SPD ein Erfolgsmodell: Matthias Platzeck, Olaf Scholz, Erwin Sellering, Hannelore Kraft, Kurt Beck – allesamt Regierungschefs und Parteivorsitzende – machen es vor.

So bleibt einstweilen der wichtigste erkennbare Grund für die Kandidatur von Stöß die Lust eines abgelösten Bezirksstadtrats, der gerne Staatssekretär geworden wäre, aber nicht durfte, mal etwas anderes zu machen. Aber das ist dann doch ein bisschen wenig, um der SPD den Beginn der Fußball-EM mit einem peinlichen Parteitag zu versauen.

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