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Bilkay Öney.

© dpa

Kontrapunkt: Bilkay Öney - die Alibiministerin

Der Plan, Bilkay Öney zur Integrationsministerin in Baden-Württemberg zu machen, ist kontraproduktiv. Es ist das falsche Amt, schreibt Moritz Schuller im "Kontrapunkt". Warum Migranten in Deutschland auch in höchsten Ämtern Migranten bleiben.

Die Integrationspolitik der SPD ist eine Wundertüte: ein bisschen Thilo Sarrazin, dazu eine 15 Prozent-Quote für Migranten in der Partei plus eine geborene Türkin, die Integrationsministerin in Baden-Württemberg wird. Es ist für jeden etwas dabei, und das ist mutig. Denn Harmonie, sollte das je das Ziel gewesen sein, wird so kaum einkehren. Schon jetzt stellt sich Sarrazin, inoffiziell einer der integrationspolitischen Sprecher der Partei, gegen die Quotenpläne seiner Parteiführung: "Je migrantischer diese Leute eingestellt sind, desto weniger neigen sie dazu, Probleme oder Schwierigkeiten objektiv zu sehen." Der Test für seine These, dass migrantisch eingestellte Migranten beim Migrantenthema nicht objektiv sind, stellt sich für die SPD sehr schnell: Die Berlinerin Bilkay Öney soll in Stuttgart Ministerin werden.

Die Entscheidung, Öney zur Integrationsministerin zu machen, ist falsch. Nicht, weil sie, wie Sarrazin vielleicht fürchtet, zu viel fördern und zu wenig fordern könnte. (Vermutlich ist sie, die eine bilderbuchartige Integrationslaufbahn hinter sich hat, eher strenger mit ihren Mitmigranten.) Der Fehler liegt darin, dass sie nicht zur Innenministerin oder Bildungsministerin oder Wirtschaftsministerin gemacht wird, sondern zur Integrationsministerin. Die Botschaft: Für dieses Amt ist man als Migrant automatisch qualifiziert. Darin versteckt sich eine doppelte Erniedrigung: Erstens: Das Amt ist so bedeutungslos, dass dafür keine politische Expertise vonnöten ist, sondern nur biographische. Und zweitens: Migranten können politisch nur Migrantenthemen.

Die Integrationsministerin in Niedersachsen heißt Aygül Özkan. Sie ist Volljuristin und war vorher in der Wirtschaft tätig, doch auch die CDU sah in ihr nur eine Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration. Biographische Erfahrung mit dem politischen Feld, das ein Minister bearbeitet, ist nie falsch. Obwohl die sieben Kinder Ursula von der Leyen als Familienministerin immer geschadet haben: Sie war aus Sicht vieler Frauen biographisch überqualifiziert. Ohnehin geht es bei einem Minister nicht darum, dass er ein lebendes Vorbild sein muss. Sonst bräuchten Familienminister immer viele Kinder, Wirtschaftsminister einen eigenen Betrieb, Bildungsminister eine Promotion. Dass der Bundesgesundheitsminister Arzt ist, ist eher ungewöhnlich, und die Arbeit des Kulturstaatsminister Bernd Neumann verläuft vielleicht gerade deshalb so geräuschlos, weil er nicht einem besonders kulturaffinen Milieu entstammt.

Nils Schmid ist Rechtsanwalt. Er wird in Baden-Württemberg aber nicht Innenminister, sondern Wirtschafts- und Finanzminister. Das ist vollkommen normal in der deutschen Politik: Politiker müssen keine Sachexperten sein, sondern Sachthemen politisch bearbeiten können. Das Migrationsministerium bildet hier aber noch immer eine Ausnahme. Da werden publikumswirksam Migranten, gut aussehende Frauen im besten Fall, geparkt, die Nischenkultur, der sie qua Amt entgegenwirken sollen, wird sogar noch verstärkt. Einen bekannten Minister mit Migrationshintergrund, der sich auf höchster Ebene um ein anderes Thema kümmern kann, findet man auf der anderen Seite nicht.

Der Plan, Bilkay Öney zur Integrationsministerin zu machen, ist deshalb kontraproduktiv. Er zeigt eben nicht, dass Migranten in höchsten Ämtern willkommen sind, sondern das Gegenteil: dass Migranten in diesem Land nicht mehr zugetraut wird als das politsche Zurschaustellen der eigenen Biographie. Sie hätte sich, wenn es ihr um Integration in Deutschland geht, nicht auf eine solche Alibinummer einlassen sollen.

Wenn Frau Öney ministrabel ist, wie die Sozialdemokraten in Stuttgart denken, dann hätte sie leicht ein anderes Ressort übernehmen können: Bilkay Öney, Innenministerin von Baden-Württemberg. Das wäre ein eindrucksvolles Signal der SPD gewesen. Eindrucksvoller als irgendwelche Quoten oder Ausschlussverfahren.

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