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Die Facebook-Seite "Wir wollen Guttenberg zurück" gewann rasch viele Freunde.

© Tsp

Kontrapunkt: Demokratie kann manchmal weh tun

Keine Atempause, auch am Tag nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers tobt die Debatte weiter. "Wir wollen Guttenberg zurück" ruft auf Facebook eine wachsende Zahl von Fans. Einige Überlegungen nach Lektüre der Beiträge auf der KT-Seite.

"Ich finde es echt traurig", schreibt Andreas A. Lindner. "Endlich haben wir wirklich mal einen starken Politiker und was machen die schwachen Politiker die schließen sich zusammen und buddeln in Vergangenheiten rum nur um wieder als Starke da zu stehen. Die sollten sich mal Gedanken machen ob wirklich der richtige zurückgetreten ist …"

Lieber Andreas A. Lindner, nach Bekanntwerden der ersten Plagiatsvorwürfe hat sich eine öffentliche Kontroverse mit Engagement und Leidenschaften entwickelt, wie sie selten geworden ist. Statt des alltäglichen Dauergezänks über Themen, Personalien, Skandale und Pseudoskandale, die meist ebenso schnell zu Ende sind, wie sie steil hoch gestiegen sind, war das einmal eine echte Kontroverse über die Frage, was geht und was nicht geht, wenn ein Minister gegen Regeln verstößt, die in der Demokratie über der Macht und ihren Inhabern stehen. Muss, soll er gehen oder darf er bleiben? (Nur in Klammern: Mein Standpunkt ist, dass sein Rücktritt unvermeidlich war, wegen des Regelbruchs bei der Doktorarbeit und der fragwürdigen Salamitaktik nach ihrem Bekanntwerden.)

Ich könnte mich heute, wenn man so will, zu den "Siegern" dieser Schlacht zählen. Das will ich nicht, aus einem einfachen Grund. Wer politisch mitreden und etwas bewegen will, muss in einer offenen Gesellschaft der Tatsache ins Auge sehen, dass man bei nächster Gelegenheit selbst zu der Minderheit zählen kann, die sich fürs Erste nicht durchsetzt. Demokratie kann, wenn man mit Überzeugung und Einsatz für eine Sache eintritt, manchmal ganz schön wehtun. Aber eine ihrer schönsten Seiten ist ja, dass alle, die zeitweise in der Minderheit sind, ihre Meinung weiter laut und deutlich vertreten dürfen.

Wenn sie überzeugen wollen, dann müssen die "Verlierer" allerdings die Argumente der Leute ernst und auseinander nehmen, die einen anderen Standpunkt vertreten haben. Ist es wirklich so, dass "schwache Politiker" in Vergangenheiten rumgebuddelt und sich zusammengeschlossen haben? Das Internet hat bei dieser Diskussion eine Riesenrolle gespielt. Der Einsatz der GuttenPlag-Leute, die in wenigen Tagen Dutzende von Plagiaten nachgewiesen haben, hat die Auseinandersetzung ebenso angetrieben wie der Schwung, mit denen diverse Initiativen für den Verbleib des Ministers votiert haben.

Wollen Sie die "GuttenPlags" einfach in eine Kiste mit den "schwachen Politikern" stecken? Oder die Doktoranden-Initiative, die sich heute noch einmal enttäuscht an Angela Merkel gewandt hat, weil sie ihre und die Fehler-Bekenntnisse von Guttenberg unzureichend finden? Und um bei der Politik zu bleiben: Waren es wirklich "schwache Politiker", die KT zu Fall gebracht haben? Oder vielmehr die starke Angela Merkel, die ihm auf einem Umweg, nämlich das Interview ihrer Vertrauten, Bildungsministerin Schavan, am Montag signalisiert hat, dass sie ihn nicht zu halten gedenkt? Auf der dritten Seite des heutigen Tagespiegel sind die beiden abgebildet, wie sie auf der Cebit die SMS von Guttenberg erhalten, eine eindrucksvolle Bilderreihe.

Sind das Argumente, lieber Marinus A. Timmermans, wenn Sie schreiben: "Die Orgie der verbalen Gewalt von den linken Politikern, Medien, Kommentatoren, Journalisten, Talkmastern und Wissenschaftlern ist demokratiegefährdend, nicht Karl-Theodor zu Guttenberg und auch nicht Angela Merkel!" Oder ist die Aufzählung nicht doch eher ein Pauschalurteil mit hohem Ressentimentanteil? Entscheidend waren am Ende doch die Breschen in die fest stehenden CDU/CSU-Reihen der Guttenberg-Verteidiger, die von Leuten aus der Wissenschaft vorgebracht worden sind. Und unter den Kommentatoren, Medien, Journalisten hatte Guttenberg so viele Unterstützer wie Kritiker, darunter mit "Bild" das nach eigenem Bekenntnis mächtigste Medium der Republik.

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