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FDP-Chef Rösler (l.) wollte liefern, Kanzlerin Merkel scheint dazu bereit.

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Kontrapunkt: Der schwarz-gelbe Fluch der falschen Versprechen

Manchmal wäre man zu gern das Mäuslein bei den Großen und Mächtigen. Zum Beispiel, wenn Angela Merkel beschließt, dem FDP-Parteichef Philipp Rösler zuzusagen, bis 2013 die Steuern zu senken.

Zunächst haben sie ihn gar nicht nett behandelt, den netten Herrn Rösler, der vor seiner Wahl zum FDP-Chef eine gefällige Rede gehalten hat. Röslers witzige Wendungen waren für den Bundesfinanzminister und die Bundeskanzlerin, wie man so sagt, „für die Galerie“, also egal, wichtig allein für das geschundene Gemüt der Liberalen.

Desto mehr ist die einzige politische Botschaft seines Auftritts bei Schäuble und Merkel angekommen. Sie lautete: Ab jetzt werden wir liefern. Daraufhin wurde Rösler, von Schäuble ganz offen, von Merkel mittels verdeckter Kolportage, in den ersten Tagen nach seinem Aufstieg an die Spitze der FDP erst einmal kräftig vor den Kopf gestoßen.

Denn Röslers „Wir werden liefern“ war die Beschwörung eines schwarz-gelben Wiedergängers, von Guido Westerwelles Steuersenkungsmantra. Die Koalition hatte sich schon im Wahlkampf in eine selbst gestellten Falle begeben. Denn nach der Wahl mussten Merkel und Schäuble wieder die Realpolitikern werden, die wussten, dass Haushaltslage und Finanzkrise keinen Raum für eine Steuersenkungen im Westerwelle-Format zuließen. Weil Merkel unter dem Druck des Wahlkampfs selbst in letzter Minute Steuersenkungen im CDU-Wahlprogramm versprochen hatte, war es vor allem Schäuble, der als Finanzminister die Rolle übernahm, der FDP die Flausen auszutreiben.

Die FDP war mit ihrem 14,6 Prozent Ergebnis allerdings so erfolgreich, dass nicht Nichts, sondern Etwas geschehen musste. Diese Etwas war das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit Kindergelderhöhung und der Entlastung von Erben und Unternehmen. Es brachte wegen der Einnahmeverluste selbst CDU-regierte Länder auf den Plan, wurde aber schließlich verabschiedet.

Unvergesslich geblieben ist dieses Gesetz allerdings allein wegen der gesenkten Hotelmehrwertsteuer. Eine Begünstigung, die als Klientelpolitik empfunden wurde, und das erst recht, als eine Millionen-Spenden eines Unternehmens an die FDP bekannt wurde, die mit der Hotelgruppe Mövenpick verbunden war. Kein schwarz-gelber Koalitionär, der die Sache nicht am liebsten rückgängig machen würde – doch die Hotelmehrwertsteuer klebt wie Kaugummi in Haar.

Wenig später, im Mai 2010, die Wahl in Nordrhein-Westfalen war verloren, die Griechenlandkrise zog dunkel am Horizont auf, räumte Merkel die Erwartung auf große Entlastungen öffentlich ab. Westerwelle, dessen Ansehen schon drastisch gesunken war, widersprach nicht.

Trotzdem gab es keine Ruhe an dieser Front. Für die steuerpolitischen Bemühungen des Sommers 2010 erntete die Koalition vor allem Hohn und Spott – die Entlastung durch Vereinfachungen lagen im Mikro-Bereich.

Die europäischen Schuldenkrise hat sich, einen Sommer später, als hochdramatisch erwiesen. Ihre Langzeitwirkung auf die Haushalte der europäischen Staaten ist kaum kalkulierbar. Die Lage der schwarz-gelben Koalition auch nicht. Die barsche Behandlung des neuen FDP-Chefs hatte unerwünschte Nebenwirkungen, nämlich den öffentlichen Eindruck, dass Merkel an die Wiederauferstehung der Liberalen, folglich an die Zukunft von Schwarz-Gelb nicht mehr glaubt und statt dessen – siehe Atomausstieg – mit schwarz-grünen Konstellationen liebäugelt.

Wäre man also Mäuslein in der Wand, würde man vermutlich eine schlecht gelaunte Kanzlerin vernehmen, die den Ihren sagt, irgendetwas müsse die FDP jetzt mal bekommen. Steuerentlastungen im Wahljahr seien ja auch nicht schlecht und erst recht, wenn die Deutschen schon wieder für die Griechen zahlen müssen. Details später, aber so, dass sie feststehen, wenn die Koalitionsspitzen sich im Juli treffen.

Wetten, dass trotzdem wieder irgendeine Hotelkröte dabei ist – und sei es nur die Rücknahme der ersten, die ganz Deutschland wieder an den Fluch der falschen Versprechen erinnert.

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