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Guido Westerwelle hat seine missliche Lage auch Bundeskanzlerin Merkel zu verdanken.

© Reuters

Kontrapunkt: Die Scheu vor klarer Kante

Stephan-Andreas Casdorff beschreibt im aktuellen Kontrapunkt, warum die deutsche Enthaltung in der Libyen-Frage viel eher die Handschrift der Bundeskanzlerin als die des Außenministers Westerwelle trägt.

Jetzt liegt es an Angela Merkel. Nicht zuletzt an ihr, ob Guido Westerwelle, mit dem sie schon viel verbindet an wenig geglückter Taktik, sich im Amt halten kann. 

Manches, was sie gemeinsam ausgeheckt haben, hat sich im Nachhinein als nicht glücklich erwiesen. Horst Köhler als Bundespräsident war so ein Fall, an dem sich zeigte, dass die kleinere Münze zählte, sollte er doch nicht zuletzt Wolfgang Schäuble verhindern. Und jetzt Libyen. 

Es war ja gar nicht allein Westerwelle, der die deutsche Haltung gegen einen Militäreinsatz festlegte, es war schon auch die Bundeskanzlerin. Und wenn ihre Getreuen für sie in Anspruch nehmen, dass sie es gewesen sei, die ein "Nein" im Weltsicherheitsrat verhindert und daraus ein Enthaltung  gemacht habe – dann macht es die Sache nicht besser, sondern eher schlechter. Denn wenn schon gegen Soldaten, gegen Bundeswehrsoldaten, dann hätte die Haltung konsequent ablehnend sein müssen. Bis jetzt, bis heute. 

Sagen wir es so: Die Enthaltung entspricht alles in allem viel eher Merkel als Westerwelle. Der hat klare Meinungen, hat auch keine Scheu vor klarer Kante. An der kann man sich stoßen. Der Kanzlerin liegt das nicht. Sie beobachtet die Entwicklung, schaut nach dem Trend, verhält sich entsprechend. Daher fallen ihre Entscheidungen in der öffentlichen Wirkung immer eher zögerlich aus, nicht führungsstark. 

Westerwelle ist dagegen geradezu der personifizierte Führungsanspruch, in Habitus und Gestus, er kann gar nicht anders. Wo er ist, soll vorn sein. Insofern liegt die Behauptung nahe, dass die Krise, in die er geraten ist, zwei Mal Merkel geschuldet ist. Einmal sieht es aus wie Westerwelle Rücksichtnahme auf ihre persönliche Art und zugleich ihre Richtlinienkompetenz als Bundeskanzlerin; die achtet er selbstverständlich, so wie er stets gute Erziehung propagiert. 

Zum Zweiten ist es ihr Abrücken von sich selbst und ihm, indem sie unlängst den Militäreinsatz der anderen Nato-Staaten in Libyen gelobt hat. Da konnte der Außenminister gar nicht anders, als sich zähneknirschend in irgendeiner für ihn noch gerade vertretbaren Weise anzuschließen. Andernfalls hätte Westerwelle unter Verweis auf Merkel und eine Haltung, die er bis heute ganz und gar nicht teile, zurücktreten müssen. 

Man stelle sich vor: ein deutscher Außenminister, der zurücktritt, zurücktreten muss, weil er gegen einen Einsatz von deutschen Soldaten ist. Das hat es so noch nicht gegeben – und das wollte Westerwelle Merkel nicht angetan haben. Denn das wäre an ihr hängen geblieben. Stattdessen bleibt es an ihm hängen. 

An Merkel liegt es jetzt aber, Westerwelle nicht damit hängen zu lassen. Sie muss ihre politische Haltung unzweifelhaft deutlich machen – vor allem, weil sie sich ja doch vordem nicht sehr von der des Außenministers unterschieden hat. Wenn die Bundeskanzlerin es nicht tut, dann sagt das nicht nur Westerwelle, sondern auch den anderen in der FDP, womit sie zu rechnen haben. Oder anders: Worauf sie weniger zählen können.

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