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Kontrapunkt: Flugrouten und das alte Lied

Der Westen hat gewonnen, der Osten hat verloren, kennen wir ja schon. Um die Flugrouten wird ein Ost-West-Getöse gemacht, das aber eigentlich gar nichts mit einem klassischen Ost-West-Konflikt gemein hat.

Schlimmer als jeder Fluglärm rund um Schönefeld ist das Ost-West-Getöse, das nach der finalen Routenplanung der Deutschen Flugsicherung anschwillt. Besonders die Betroffenen tuten ins geteilte Empörungshorn, auch einige Politiker blasen mächtig die Backen auf. Ihr schräges Lied geht so: Der rücksichtslose Ego-Westen wirft dem armen Hilflos-Osten seinen Lärmmüll vor die Tür. Prototypisch Gregor Gysi: "Die DFS hat deutlich gemacht: Die Menschen im Osten sind ihr schnurz!" Aber auch die frauenpolitische Sprecherin der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus Margit Görsch kann das: "Der Osten wird vernachlässigt, da wohnen auch Menschen!" Und die Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler von der SPD: "Es kann nicht sein, dass der Wannsee entlastet und der Müggelsee belastet wird!" Und so geht es weiter, der Westen hat gewonnen, der Osten hat verloren, kennen wir ja schon, seit mehr als zwanzig Jahren dasselbe, war ja nicht anders zu erwarten, schon klar.

Tatsache ist, dass der Zehlendorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann seine heißen Drähte zum Verkehrsminister und zur Kanzlerin genutzt hat, um für andere Routen zu werben als jene, die über den Wannsee führten. Ob das den Ausschlag gab, ist nicht bekannt. Aber selbst wenn: Wo ist da der Hinweis auf einen klassischen Ost-West-Konflikt? Auf der einen Seite steht stinknormale Wahlkreislobbyarbeit, auf der anderen Seite eine Bundeskanzlerin aus dem Osten, mittendrin ein Verkehrsminister, der sich erst mal auf die Seite aller, aber auch wirklich aller Betroffenen schlägt und sich dann die Sachlage erklären lässt.

Unter den gegebenen Umständen sind die neuen Routen der bisher vernünftigste Vorschlag, weil sie insgesamt mehr Menschen vom Lärm entlasten. Die Umstände ergeben sich zwangsläufig aus einem Flughafen direkt an der Stadt, und der macht nun mal Krach in der Stadt. Man kann die Flugzeuge ja nicht senkrecht von Elektroflüsterhubschraubern am Terminal absetzen oder sie unterirdisch hinter Schallschutzwänden an- und abfliegen lassen.

Die jetzt vorgestellten Veränderungen zeigen aber auch, wie völlig daneben es war, was die Deutsche Flugsicherung ursprünglich vorgelegt hatte. Ein unabgestimmter Plan, der nahe legte, dass die Welt nur aus Flugzeugen und Hörgeschädigten besteht, und der dann auch noch als alternativlos bezeichnet wurde - eine Unverschämtheit, wie man heute weiß.

Weil die Bürger Krach geschlagen und die Politik erst geweckt haben, ist jetzt vieles besser. Potsdam bleibt ganz verschont, in Erkner wird es ruhiger als erwartet, auch am Schwielowsee, in Werder und in Stahnsdorf, in Teilen von Teltow und Kleinmachnow, in Zeuthen gibt es Verbesserungen im Vergleich zum Plan, der die erste Empörungswelle ausgelöst hatte. Das alles liegt mehr oder weniger im Osten, mal auf der Landkarte, mal polithistorisch, selbst wenn hier und dort Leute leben, die aus dem Westen zugezogen sind. Wollte irgendwer Flugrouten durchsetzen, die nach Gysis Gesäßgeographie Ost und West wieder trennt, dann müsste ein Airbus Zickzack fliegen können.

Der Vorsitzende des Bürgervereins Berlin-Brandenburg ist übrigens der Meinung, was da geschehen ist, sei Wahlkampfhilfe. Aber wer da wem womit und wobei geholfen haben soll, bleibt genauso unscharf wie die verwehenden Kondensstreifen der Flugzeuge, die hoch oben dahin ziehen, über der Stadt, die bald wählt, und dem Land, das so bald nicht wählt, über den sich ostwestlich auflösenden Gemeinden, über dem Verkehrsminister von der Union, der Stadtentwicklungssenatorin von der SPD, dem Regierenden Bürgermeister, der Kanzlerin, den mal mehr, mal weniger erfolgreichen Lobbyisten aller Couleur.

Wer hilft da wem womit und wozu? Sachdienliche Hinweise werden gerne unter diesem Artikel als Kommentare entgegengenommen.

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