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Gründlich nachgeschaut und doch verrechnet. So viele Wahlpannen wie dieses Jahr gab es selten - das macht Berlin zur Hauptstadt der Wahlpannen.

© dpa

Kontrapunkt: Hauptstadt der Wahlpannen

Fehler bei den Wahlauszählungen passieren vielerorts, gesteht Gerd Nowakowski zu. Doch nie haben die kleinen Fehler so große Wirkungen wie dieser Tage in Berlin.

Rechnen ist nicht Berlins Stärke. Die Grünen haben sich gerade koalitionsmäßig verrechnet, Berlins Schuldenberg zeugt bundesweit davon, dass man an der Spree nicht mit Zahlen umgehen kann, und selbst bei Wahlzetteln können  Berliner nicht Eins und Eins zusammenzählen. Wenn es ein überzeugendes Plädoyer gegen das auch für Berlin propagierte und anderenorts aufwändig praktizierte Panaschieren und Kumulieren gibt, dann hat es diese Wahl geliefert. Wer dies in der Hauptstadt der Rechenschwäche einführen möchte, darf bei der nächsten Wahl gleich mal Hundertschaften von erfahrenen Wahlbeobachtern mit mathematischer Berufsausbildung einfliegen lassen.
Irren ist menschlich und Fehler passieren bei Wahlauszählungen – überall, auch im Pisa-starken Baden-Württemberg, weil allerorten müde Wahlhelfer am späten Abend schon mal durcheinander kommen können beim Stimmen zählen. Die Fehler werden dann eben hinterher korrigiert – auch deswegen liegen die amtlichen Endergebnisse erst Wochen später vor. Auch in der Vergangenheit gab es in Berlin Wahlpannen, als etwa 2006 die Pankower Helfer einfach Feierabend machten und die Ergebnisse erst einen Tag später geliefert wurden.

Nie aber gab es so viele Wahlpannen wie diesmal. Und noch nie waren die Konsequenzen so gravierend: Das Abgeordnetenhaus ist dadurch um drei Parlamentarier geschrumpft, Abgeordnete flogen erst raus und kamen dann doch hinein. Und noch nie gab es so viele Wahlkreise mit derart knappen Mehrheiten, bei denen kleine Fehler große Wirkungen haben können. Wenn die Landeswahlleiterin nach der beispiellosen Pannenserie jetzt einfach das amtliche Endergebnis durchwinkt, ohne auf alle vorhandenen Einsprüche zu reagieren, dann hat sie ihre Aufgabe nicht verstanden. Zu argumentieren, für eine erneute Auszählung fehle es an einer Verwaltungsverordnung, zeugt bestenfalls von schlichtem Gemüt. Nachhaltiger jedenfalls kann man das Vertrauen in eine Demokratie kaum untergraben. Die lebt vom Glauben der Wähler, dass es mit allerhöchster Transparenz beim Wahlakt zugeht. Jedem Zweifel ist deshalb nachzugehen; besonders, wenn es sogar Wahlhelfer sind, die eine Neuauszählung für notwendig halten. So viel Zeit muss sein. Und notfalls muss man die Verordnung ändern. Denn jedes Schulkind weiß: Wer beim Kopfrechnen schwach ist, muss notfalls dreimal abzählen.

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