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Höhere Steuern zum Wohle der Umwelt?

© dpa

Kontrapunkt: Keine höheren Steuern für Ökostrom

Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann zum Gelingen der Energiewende, ohne den ärmeren Teil der Deutschen im Dunkeln sitzen zu lassen. Auch wenn manche nun das Gegenteil meinen: Ökologie kommt auch ohne höhere Steuern aus.

Von Antje Sirleschtov

Öko sein, das heißt für höhere Steuern zu sein. Einen solchen Zusammenhang hört man dieser Tage überall. Klingt ja auch irgendwie logisch. Seit Deutschland aus der Atomkraft aussteigt, steigt die Zwangsumlage für Ökostrom an, was insbesondere ärmere Familien im Geldbeutel belastet. Und weil alle ein soziales Gewissen haben, lautet die logische Konsequenz: Wenn Energie teurer wird, muss sozialer Ausgleich her und der geht nun mal am besten über höhere Steuern. So weit, so denkeinfach.

Beim Betrachten der Wirklichkeit jedoch kommt man zu einem ganz anderen Schluss: Ökoenergie ist überhaupt nicht das Problem sozialer Verwerfungen in Deutschland, weshalb die Energiewende auch nicht zur Begründung für Steuererhöhungen herangezogen werden kann. Die Umlage für die Förderung von Erneuerbarer Energie, die jetzt um fast die Hälfte auf gut fünf Cent pro Kilowattstunde angehoben wird, macht noch nicht einmal 15 Prozent des Strompreises aus, den die Verbraucher zahlen. Der weitaus größere Teil des Preises wird durch Rohstoffkosten und Steuern bestimmt. Und wenn auch die Einflussmöglichkeiten der Energiepolitik auf die Kosten von Erdöl und Erdgas gering sein mögen – bei der Gestaltung der EEG-Umlage und der verschiedenen Energiesteuern besteht genügend Spielraum, um lenkend einzugreifen. Ganz einfach wäre es zunächst einmal, bei den Unternehmen, die von beidem wegen ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit ausgenommen sind, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wetten, dass da so manches zutage tritt, was man zwischen Mitnahmeeffekt und Subventionsbetrug kategorisieren kann. Und wie steht es mit der grundsätzlichen Neugestaltung der Ökostromumlage und der zahlreichen anderen Energiesteuerbefreiungen? Statt wechselseitiger Beschimpfung dürfen die Wähler von den Parteien in dieser Frage überzeugende Konzepte erwarten.

Nächstes Jahr ist Bundestagswahl und eine Stimme wäre jener Partei schon mal sicher, die die Förderung von Ökostrom auf marktwirtschaftliche Füße stellt. Und zwar zum Vorteil der Ökoenergie und der sozialen Ausgewogenheit. Wäre das keine Herausforderung gerade für die Denker unter den Grünen, die ökologische mit der sozialen Frage zu verknüpfen, ohne als erstes „den Reichen“ in Deutschland Geld abzuknöpfen?

Noch ein Argument wider die Steuererhöhung: Dass Kinder genügend Obst und Gemüse essen müssen, ist eine Binse. Ausgerechnet diese gesunden Nahrungsmittel jedoch sind seit Jahren spitze im Preisanstieg. Fordert irgendwer eine Steuererhöhung, nur weil Äpfel im Schnitt sieben Prozent pro Jahr mehr kosten und ärmere Kinder deshalb nur noch Pommes essen können? Strom dagegen kostet preisbereinigt seit gut zehn Jahren im Schnitt nur 1,6 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Eine Folge des (in den Kinderschuhen steckenden) Wettbewerbs. Und trotzdem wird als erstes mit der Steuerkeule gewunken, als seien alle anderen Möglichkeiten, die Ökofrage nicht zur sozialen Frage werden zu lassen, ausgeschöpft oder undurchführbar.

Wer sich zum Beispiel die 50 Euro, die die EEG-Umlage ab 2013 pro Durchschnittshaushalt mehr kosten wird, nicht leisten kann und beim Stromsparen schon alle Reserven gehoben haben sollte, der könnte versuchen, den Stromanbieter zu wechseln. Manche werden überrascht sein. Gerade Ökoanbieter sind günstig. Mehr Wettbewerb im System, einfallsreichere Politik im Interesse der Verbraucher: Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann zum Gelingen der Energiewende, ohne den ärmeren Teil der Deutschen im Dunklen sitzen zu lassen. Und selbst, wenn der Staat einen Sozialausgleich leisten müsste, dann bleibt immer noch die Frage, welche Ausgaben dafür gestrichen werden. Sozialzulage für Kleinverdiener und Rentner sind allemal besser als Betreuungsgeld oder Hotel- und Hundefuttersubvention. Und nicht hinter jedem, der jetzt für höhere Steuern ist, steckt ein Ökofreund der Energiewende. Ganz im Gegenteil.

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