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Bundespräsident Christian Wulff ist erneut mit Vorwürfen konfrontiert. Diesmal geht es um einen Urlaub auf Sylt.

© dpa

Kontrapunkt: Lasst das Volk über Wulff befinden!

Ein Abwahlverfahren, dem sich der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland stellen muss, braucht Christian Wulff nicht zu befürchten. Schade, findet Christian Tretbar. Denn es ist das einzige Mittel gegen die Grauzone, in der sich der Bundespräsident befindet.

Für Adolf Sauerland wird es am Sonntag ernst. Seit anderthalb Jahren steht der Duisburger Oberbürgermeister mehr als nur in der Kritik. Die Menschen verlangen von dem gewählten Stadtoberhaupt etwas, was eigentlich für einen Mann an der Spitze selbstverständlich sein sollte: Verantwortung zu übernehmen. Und aus dem Polit-Deutsch übersetzt heißt das in aller Regel nichts anderes als Rücktritt. Doch Adolf Sauerland sieht das nicht ein. Er sieht keine persönlichen Verfehlungen bei sich. Für das Loveparade-Unglück im Juli 2010 seien weder er noch seine Stadtverwaltung verantwortlich. Für den Tod von 21 Menschen müssten andere gerade stehen. Freunde hat er sich damit nicht gemacht - im Gegenteil. Massiv ist der Widerstand gegen seinen Verzicht auf den Machtverzicht. Sauerland aber windet sich. Ob es die pure Angst vor dem Nichts nach der Macht ist, ob es tatsächlich eine Art Realitätsverlust ist, bleibt unklar. Das Ende der Geduld ist für viele Duisburger jetzt erreicht. Am Sonntag muss sich Sauerland nun einem Abwahlverfahren stellen. Übersteht er, hat er gute Argumente weiter zu machen. Vielleicht sogar gestärkt. Am Ende wird man in einigen Jahren über ihn lesen, dass er "standhaft" sei. Übersteht er das Abwahlverfahren nicht, hat er keine Wahl mehr. Dann hat sich das Thema erledigt.

Die Bilder der Loveparade-Katastrophe von 2010:

Ein anderer hatte sich auch schon in der Causa Sauerland zu Wort gemeldet: Christian Wulff, Bundespräsident, auch damals schon. "Zwar hat jeder als unschuldig zu gelten, dessen Schuld nicht erwiesen ist. Doch unabhängig von konkreter persönlicher Schuld gibt es auch eine politische Verantwortung. Das alles wird der Oberbürgermeister genau abwägen müssen", sagte Wulff damals. Würde Wulff das heute auch so stehen lassen? Oder würden er sich wieder winden, so wie bei seinem Vor-Vorgänger Johannes Rau, dem er auch schon den Rücktritt nahe gelegt hatte. Den könne er heute besser verstehen, sagte Wulff vor Kurzem. Vielleicht hat er ja nun auch Verständnis für Sauerland. Die Frage nach politischer Verantwortung wird durch den Fall Wulff auf jeden Fall immer relativer. Die Maßstäbe schwinden und Wulff, so der Eindruck, kennt nur noch einen Maßstab: seinen eigenen. Hartnäckig bewegt er sich weiter in der Grauzone zwischen nicht richtig justiziabel und politisch nicht richtig korrekt. Auch die neuesten Vorwürfe bewertet er so. Ja, Luxusurlaub mit einem Filmproduzent, den das Land Niedersachsen gefördert hat, habe er gemacht. Der finanziell potente Filmproduzent habe die Kosten auch ausgelegt. Aber Wulff habe alles bar nachgezahlt. Nachweis? Nicht möglich. Eine neue Qualität sind dabei die Vertuschungsvorwürfe. Die könnten für die Justiz noch interessant werden. In der Grauzone aber wird Wulff wohl bleiben.

Die Causa Wulff in Bildern:

Eine Mehrheit der Deutschen legt nun ihm den Rücktritt nahe. Für ehrlich hält ihn nur noch eine 18-prozentige Minderheit und für glaubwürdig auch nur eine ungleich größere Minderheit. Dem Amt wolle er nicht schaden. Nicht weglaufen, wie sein Vorgänger Horst Köhler. Keine Staatskrise verursachen, weil innerhalb kurzer Zeit der zweite Bundespräsident seinen Hut nehmen würde. Dass die Staats- oder sagen wir besser Amtskrise durch ihn längst eingetreten ist, ignoriert er. Ein Mittel dagegen gibt es kaum. Hoch sind die Hürden für eine Absetzung.

Es gibt gute Gründe, den Bundespräsident nicht direkt wählen zu lassen. Es würde ein Amt aufwerten, was eigentlich keine Aufwertung verdient hat. Aber was spricht eigentlich gegen eine direkte Abwahl? Warum geht bei Sauerland, was bei Wulff nicht geht? Kann sich ein Land einen Bundespräsident wirklich über Jahre leisten, der von einer Mehrheit als unehrlich und unglaubwürdig angesehen wird? Kann es nicht. In Zeiten der stärkeren Bürgerbeteiligung wäre ein Volksbegehren ein starkes Instrument - gerade gegen die Grauzone der politischen Verantwortung, in der es sich Wulff bequem macht. Der Politik sind die Hände gebunden. Dort wird man entweder nur beinahe verzweifelte Versuche der Opposition erleben, Wulff zum Rücktritt zu bewegen oder verdruckste Aufforderungen aus dem, Koalitionslage "für Aufklärung" zu sorgen. Der Justiz sind derzeit auch - noch - die Hände gebunden. Dem Volk aber nicht. Es könnte entscheiden, wie dunkel die Wulffsche Grauzone ist. Zu dunkel für ein Staatsoberhaupt? Oder ob es noch langt, um wie Rainald Grebe das Amt mal beschrieben hat, Fähren zu taufen.

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