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Die Bundesregierung ist auf dem richtigen Weg, findet Harald Schumann.

© dapd

Kontrapunkt: Merkel hat Recht

Nach drei Jahren Finanzkrise ist die Bundesregierung da angekommen, wo sie von vorneherein hätte beginnen sollen - bei einer Grundregel der Marktwirtschaft. Im Kontrapunkt erklärt Harald Schumann, warum jetzt auch Taten folgen müssen.

Es war ein Satz, wie ihn nur die Kanzlerin fertig bringt: „Es kann nicht sein, dass man im Umgang mit Staaten beliebige Risiken immer vergemeinschaften kann und die Risiken nicht selber als Akteur auch ein Stück weit mittragen muss“, kündete Angela Merkel am vergangenen Donnerstag. Das war verquast formuliert, doch die Botschaft ist trotzdem klar: In Sachen Bankenrettung und der Stützung für überschuldete Eurostaaten sind die Grenzen der Sozialisierung privater Schulden auf Kosten der Steuerzahler erreicht. Künftig, so will es die Kanzlerin, sollen auch die privaten Gläubiger ihrer Beitrag zur Sanierung von überschuldeten Staaten und/oder Banken leisten.

Drei Jahre nach dem Start der Finanzkrise und inmitten der eskalierenden Überschuldung der Eurostaaten Griechenland, Irland und Portugal ist so zumindest die Bundesregierung endlich da angekommen, wo sie von vorneherein hätte beginnen sollen: Die Grundregel der Marktwirtschaft, wonach Investoren für die Risiken ihrer Investments haften, muss auch für die Finanzbranche gelten, und zwar auch dann, wenn sie einem Staat mehr Geld geliehen hat, als dieser auch bei größten Anstrengungen zurückzahlen kann. Umschuldung, Streckung der Laufzeiten, Senkung der Zinslast und notfalls auch Schuldenerlass auf Kosten der Kreditgeber, eben das Procedere, das bei der Insolvenz von Unternehmen gang und gebe ist, muss auch für Staaten gelten, die ihre Schulden nicht länger tragen können.

Doch so einleuchtend dieses Prinzip ist, so grundverkehrt ist die Methode, mit der Merkel und ihre Euro-Kollegen diese Wiedereinführung der Marktwirtschaft für den Finanzsektor betreiben. Anstatt sogleich die Verhandlungen mit den Gläubigern zu erzwingen, vertagten sie den ohnehin früher oder später unvermeidlichen Schritt auf die Zeit nach 2014. Erst für solche Staatsanleihen, die nach dem Auslaufen des Euro-Rettungsfonds aufgelegt werden, sollen die neuen Regeln gelten, versprachen sie, kaum dass die Debatte über den Vorstoß die Besitzer von irischen, griechischen und portugiesischen Anleihen in Aufregung versetzte und die Kurse für die entsprechenden Schuldtitel auf Talfahrt gingen. Aber was als Beruhigungsmittel für Anleger und Fondsmanager gedacht war, verfehlte naturgemäß die angestrebte Wirkung. Denn es würde wenig nutzen, wenn etwa Irland mit Staatsschulden von dann voraussichtlich mehr als 200 Milliarden Euro ab 2015 neue Anleihen mit Klauseln für die Anlegerhaftung versehen würde, während das Land gleichzeitig seine alten Schulden doch nicht bedienen kann.

Nun aber droht der denkbar schlechteste Ausgang der irischen Schuldenkrise. Wie schon im Fall Griechenland soll erneut die Gemeinschaft aller Eurostaaten für drei Jahre die volle Garantie für Irlands Staatschulden übernehmen, indem alle fällig werdenden Zahlungen über Kredite aus dem Euro-Stabilisisierungsfonds finanziert werden. Kommt es dazu, können und werden die Gläubiger, die bisher gerne die „Risikoprämie“ in Form hoher Zinsen einstreichen, das nun tatsächlich eingetretene Risiko zu großen Teilen an die Euro-Staatengemeinschaft abtreten. Sind die Krisenstaaten dann noch immer überschuldet, wie es angesichts der wirtschaftlichen Schrumpfung infolge der Sparprogramme zu erwarten ist, dann wird ein Großteil der ohnehin nötigen Schuldenstreichung eben doch auf Kosten der Steuerzahler in der Eurozone gehen.

Dieses Verfahren wäre im Fall Irland besonders absurd, denn dort geriet die Regierung keineswegs wegen übermäßiger Ausgaben für Subventionen oder Personal in Finanznot, sondern weil sie wider alle wirtschaftliche Vernunft die maßlos überschuldeten Banken des Landes mit bisher schon mehr als 30 Milliarden Euro gestützt hat und nun weitere Rettungszahlungen in der gleichen Größenordnung anstehen. An dieser Schieflage tragen aber all jene Anleger aus aller Welt eine Mitschuld, die den absehbar nicht tragfähigen irischen Immobilienboom mit großzügigen Krediten für Irlands Banken finanziert haben, darunter auch Deutschlands Banken und Versicherer, die mit mehr als 100 Milliarden Euro in Irland engagiert sind. Kein Wunder daher, dass der ideelle Gesamtlobbyist der Geldbranche Josef Ackermann nun wieder dafür trommelt, „alles zu tun, um jedes Land in Schwierigkeiten aufzufangen“, handelt es sich im Kern doch nur um die Fortsetzung der Bankenrettung im neuen Gewand. Dabei ist Ackermanns Warnung unglaubwürdig, das „Ausbrechen irgend eines Staates würde zur Ansteckung an den Märkten“ und ganz Europa in den Abgrund führen. Denn einmal mehr bleiben er und seine Kollegen den Nachweis dafür schuldig. Bei welcher Bank, welchem Fonds und welcher Vermögensverwaltung die Schuldenstaaten denn nun genau mit welchen Summern in der Kreide stehen, wem also im Fall einer Umschuldung Verluste drohen, dass halten sie geheim. Denn als Ergebnis solcher Transparenz könnte Klarheit entstehen, welcher der gut verdienenden Finanzkonzerne womöglich gut zur Sanierung von Irland, Griechenland und Portugal herangezogen werden könnte.

Darum hat Merkel völlig Recht, wenn sie dagegen hält. Umso wichtiger wäre es aber, der Beschwörung des eigentlich selbstverständlichen Marktprinzips nun auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen. Dafür bedürfte es auch gar nicht erst einer Reform der EU-Verträge oder neuer Gesetze. Die Finanziers des Euro-Rettungsfonds könnten gleich morgen die irische Regierung auffordern, sofort mit ihren Gläubigern und vor allem mit denen der irischen Banken in Verhandlungen über eine Streckung und Zinssenkung für ihre Schulden zu treten. Im Gegenzug könnte die Euro-Gemeinschaft für die im Tausch gegen die bisherigen Schuldtitel ausgegebenen neuen Anleihen mit für Irland tragbaren Konditionen garantieren und auf diesem Weg Sicherheit schaffen. Gewiss, ein solcher Umschuldungsprozess würde langwierig und es würde auch so manchen Anleger oder einige ohnehin klamme Banken hart treffen. Aber das klare Signal, dass die Marktwirtschaft nun auch wieder für die Vermögensverwalter und ihre Banken gilt, wäre diesen Preis allemal wert.

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