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Kanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und der bayerische Ministerpraesident Horst Seehofer am Sonntag im Bundeskanzleramt.

© dapd

Kontrapunkt: Schwarz-Gelb: In schriller Harmonie

Kontrapunkt - die neue Meinungskolumne auf Tagesspiegel.de. Stephan-Andreas Casdorff erklärt, weshalb die Regierung jetzt ernst macht und Konservativismus nicht mitfühlend ist.

Diese Regierung, wie soll man’s sagen, macht ernst. Sie wird konservativ, in einem Sinne, den sich vorher so keiner wirklich vorgestellt hat. Das Land war gewohnt, dass es konsensual zugeht, großkonsensual, mit gepflegter Moderation von der Kanzlerin. Das gefällt ja auch den meisten, seien wir ehrlich. In der Hinsicht hatte Heiner Geißler immer Unrecht: Politik, sagte er, ist kein Gesangverein Harmonie.

So, aber das schert diese Koalition trotzdem wenig. Ist der Ruf fast ruiniert – und das wurde er in den zurückliegenden Monaten –, regiert sich’s ungeniert. Erst die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, vor der noch nicht einmal seriös geprüft wurde, ob es vielleicht auch ohne geht; außerdem eine Verlängerung ohne die Bundesländer, ohne deren Zustimmung, im Kern also gegen sie. Mal sehen, was demnächst das Bundesverfassungsgericht dazu sagt. Bis dahin aber können sich die Konzerne freuen, auf Milliarden und gute Worte der Kanzlerin. Die übrigens in der CDU gerne die Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung geworden wäre, nur weiß das kaum noch einer. Vielleicht kommt ihr Handeln jetzt auch aus diesem Denken? Wer weiß das schon.

Schwarz-Gelb radikalisiert die Gesellschaft

Und wer damals, lang ist es her, vor Rot-Grün gewarnt hat, weil diese beiden Parteien doch die Gesellschaft radikal verändern würden, der hat nicht mit Schwarz-Gelb gerechnet. Diese Kombination, die nicht mehr die von früher ist, geht daran, die Gesellschaft zu radikalisieren. Nicht mehr von früher heißt: Die Union ist inzwischen durch Angela Merkel gewendet, hin und her, so dass sie selbst nicht mehr weiß, wer oder was sie ist, konservativ oder liberal oder moderat; die FDP tritt mit Guido Westerwelle seit Jahren vor allem für weniger Steuern ein. Das kann gut für sie sein, aber auch schlecht, und zwar, wenn die Steuersenkungen nicht kommen oder nur für Hoteliers. Was daran allerdings im eigentlichen Sinne liberal ist, weiß in der Partei keiner. Was liberal sein könnte, weiß ihr General, aber dessen Zeit ist noch nicht gekommen.

Empathie ist nur ein Fremdwort

So werkelt, merkelt die Regierung weiter, gibt der Industrie, was der Industrie nicht ist, und verteilt jetzt in einer Weise, dass es junkerhaft wirkt, ein Almosen von fünf Euro an Hartz-Empfänger. Nicht 20, nicht zehn – ganze fünf Euro! Mit dieser Kanzlerin, die so ganz anders sozialisiert ist. Und an die Kinder denken sie nicht. Empathie ist auch nur ein Fremdwort. Darum gibt es hierzulande auch keinen mitfühlenden Konservativismus. Aber Harmonie im Regierungsbündnis. Nur hier draußen, da werden die Stimmen schriller.

Die Autoren von Kontrapunkt: Montags schreibt Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff. Dienstags kommentiert Meinungschef Malte Lehming. Mittwochs analysiert Tissy Bruns insbesondere das politische Geschehen. Donnerstags schreibt Chefredakteur Lorenz Maroldt und freitags Wirtschaftsexperte Harald Schumann.

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