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Generalsekratär Christian Lindner vor einem Wahlplakat seiner Partei.

© dapd

Kontrapunkt: Steuersenkungen: Die FDP ist nicht radikal genug

Mit ihrem Steuersenkungsmantra opfert die FDP derzeit ihre Existenz - das ist bewundernswert. Als einzige Partei in Deutschland öffnet sie den Diskurs für die Frage, ob wir alle zu viel ausgeben, oder ob wir zu wenig einnehmen.

Sigmar Gabriel warnte die FDP vor ein paar Tagen davor, zur "deutschen Tea-Party-Partei" zu werden. Abgesehen davon, dass die FDP gerade Steuersenkungen auf Pump plant, was eine Michelle Bachmann zur Waffe greifen lassen würde, hat Gabriel recht: Auch die FDP macht als einzige Partei die Staatsfinanzen zum politischen Thema. Sie ist dabei erstaunlich hartnäckig und erstaunlich erfolglos.

Die Hartnäckigkeit, mit der die Partei für Steuersenkungen plädiert, ist erstaunlich, weil es ihr politisch schadet. Die Partei bleibt in den Umfragen bei drei Prozent, sie setzt derzeit ihre politische Existenz für ein Thema aufs Spiel, mit dem sie keine Wähler gewinnt.

Das ist wiederum erstaunlich, weil die hohe Staatsverschuldung laut einer Umfrage den Bundesbürgern derzeit die größten Sorgen macht: 63 Prozent nennen die hohe Verschuldung des Staates beunruhigend, das sind zwei Prozentpunkte mehr als Anfang Juni. Die FDP besetzt also jenes Thema, das sehr viele Wähler bewegt, und trotzdem ist die Partei unbeliebt.

Die Erklärung, dass die FDP die falschen Antworten auf die richtige Frage liefert, trifft auch nicht zu: Sie liefert nämlich die richtige Antwort. Die FDP stellt mit ihrem Steuersenkungsmantra - ähnlich wie die Republikaner in den USA - einen Mechanismus infrage, der gerade in diesen Schuldenzeiten längst gegriffen hätte: Fehlt Geld, gibt es Steuererhöhungen. Oder anders: Ohne die FDP hätte es schon längst eine Steuererhöhung gegeben. Und nicht nur bei den Reichen im Land, sondern, weil da mehr zusammenkommt, bei den meisten übrigen auch.

Die FDP versucht, den leichtesten Weg aus den Schulden zu diskreditieren. Denn der, und darauf machen auch die radikalen Republikaner aufmerksam, würde die Ausgaben des Staates nicht senken, sondern nur weiter finanzieren. Die FDP öffnet damit den politischen Diskurs für die Frage, ob wir alle zu viel ausgeben, oder ob wir zu wenig einnehmen; ob wir also sparen müssen oder neue Einnahmequellen finden müssen.

Die Republikaner haben ihrem Land diese Debatte aufgezwungen. Vermutlich würde eine solche Debatte in Deutschland, wo die meisten offenbar gerne Steuer zahlen, zu anderen Ergebnissen führen. Sie wird jedoch gar nicht erst geführt. Die drei Prozent für die FDP machen deutlich, wo der, der sie führt, landet. Steuersenkungen sind ein Weg, einem Staat, der zu viel Geld ausgibt, die Mittel so zu reduzieren, dass er sich darauf einstellt, mit weniger auszukommen.

Daran erinnert uns als einzige Partei in Deutschland die FDP, auch wenn sie es nicht vermag, diesen Kern ihrer politischen Botschaft verständlich zu machen. Ihr unaufhörlicher Ruf nach Steuersenkungen zerstört vielmehr den Ruf der Partei. Sie gilt inzwischen als radikal und angesichts der Schulden des Landes realitätsfern. Das zeigt, dass die FDP nicht radikal genug ist: Statt zu sagen, wie gespart werden könnte, will sie Steuersenkungen aus wachstumsbedingten Mehreinnahmen finanzieren. Das verschafft dem einzelnen zwar mehr Geld, ändert aber nichts daran, dass der Staat zu viel ausgibt. In der Tea Party hätten Rösler & Co keine Chance.

Gleichwohl opfert die FDP derzeit aus Überzeugung ihre Existenz. Das ist bewundernswert, wie auch Gerhard Schröders Kampf für die Agenda 2010 und gegen seine Partei bewundernswert war. Parteien, die so viel aufs Spiel setzen, sind heute selten geworden.

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