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Kontrapunkt: Warum Guttenberg zum Zombie wird

Der schäbige Streit zwischen Guttenberg und der Uni Bayreuth schlägt noch einmal hohe Wellen. Ein Ausdruck eines Phantomschmerzes - denn Guttenberg fehlt seinen Kritikern jetzt schon, weil es kein nationales Feindbild mehr gibt.

Sie machen den Sargdeckel auf und watschen die Leiche noch einmal richtig ab. Das klatscht so laut, dass man meinen könnte, Karl-Theodor zu Guttenberg wäre noch quicklebendig im Amt. Die Kanzlerin geht davon aus, dass Guttenberg "weiterhin zur Aufklärung voll beiträgt", und die CSU fordert ihn auf, "an der Aufklärung" mitzuwirken". Selbst der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft mischt sich ein, und bei der Staatsanwaltschaft Hof liegen rund 100 Strafanzeigen gegen Guttenberg - bei keinem einzigen der 100 hat Guttenberg abgeschrieben. Diese Blockwartmentalität nennt man inzwischen Zivilcourage.

Dabei ist die neuerliche Aufregung um Guttenberg vor allem Ausdruck eines Phantomschmerzes. Es ist der Schmerz darüber, dass der schöne große Skandal, der Aufstand der Anständigen und die Verteidigung der Demokratie gegen einen Populisten vorbei ist.

Kein Wunder also, dass der schäbige kleine Streit zwischen Guttenberg und der Universität Bayreuth darüber, wer weniger schlecht aus der Sache herauskommt, noch einmal solche Wellen schlägt. Man nimmt, was man kriegt. Denn bei dem Streit geht es in erster Linie nicht um Aufklärung und Öffentlichkeit, sondern darum, ob Guttenberg absichtlich abgeschrieben hat. Das behauptet angeblich der noch nicht fertig gestellte Untersuchungsbericht der Universität; und das weist der ehemalige Verteidigungsminister noch immer zurück und überlegt mit Verweis auf sein Persönlichkeitsrecht, gegen die Veröffentlichung des Berichts vorzugehen. Damit, sagen die, die ihm schon vor Wochen jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen haben, verspiele er den letzten Rest seiner Glaubwürdigkeit.

Dass nun gerade jene Universität, die Guttenberg ein "summa cum laude" für seine Doktorarbeit erteilt hat, für öffentliche Aufarbeitung plädiert, ehrt sie. Aber sie ist gleichzeitig Partei: je größer der kriminelle Einsatz Guttenbergs, desto geringer das offensichtliche Kontrollversagen der Universität. Ist Guttenberg ein Betrüger, dann ist die Universität ein Opfer.

In den meisten Fällen werden Ermittlungen wegen Urheberrechtsverstößen mangels öffentlichen Interesses eingestellt. Das dürfte in diesem Fall anders sein: Das öffentliche Interesse an Guttenberg wird nicht einmal enden, wenn er als Betrüger verurteilt und ihm sein Adelstitel samt Wald genommen wird. Denn Guttenberg fehlt seinen Kritikern jetzt schon, weil in die Lücke, die sein Rücktritt gerissen hat, bisher niemand getreten ist. Wer auch? Der, der sich in dieser Lücke lange heimisch gefühlt hat, winkt aus dem eigenen politischen Sarg: Guido Westerwelle. Und bei aller Bewunderung für die kritischen Leser der Doktorarbeit von Silvana Koch-Mehrin - die ist nicht satisfaktionsfähig.

Zum Tanz braucht man zwei. Die Antifa braucht die Nazis, die Katholiken den Sex, und Ernie braucht Bert. Die Auferstehung Guttenbergs hat also vor allem damit zu tun, dass sonst niemand mehr da ist, mit dem seine Gegner tanzen könnten. Sein Rücktritt war ihr Pyrrhus-Sieg: Deutschland hat kein nationales Feindbild mehr.

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