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Obama oder Romney, Romney oder Obama. Für die US-Amerikaner ist das eine wichtige Entscheidung, für den Rest der Welt ändert sich durch die Wahl am 6. November wenig.

© AFP

Kontrapunkt: US-Wahl: Genießen Sie einfach die Show!

Das Interesse in Deutschland an der US-Wahl ist riesig. Mit Politik hat es jedoch nichts zu tun.

Krieg in Syrien, Dauerkrise in Europa, die Rente wird nicht reichen und sicher ist sie schon lange nicht mehr. An großen politischen Themen mangelt es kaum und trotzdem nimmt die kommende Wahl in den USA viel Platz in der Medienberichterstattung ein. Das Interesse am Zweikampf Barack Obama gegen Mitt Romney in Deutschland ist riesig. Doch warum kümmern sich so viele Deutsche in angeblich politikverdrossenen Zeiten überhaupt um eine Wahl auf der anderen Seite des Atlantiks?

An den realen Auswirkungen des Wahlausgangs auf die Welt, Europa oder Deutschland kann es nicht liegen. Obamas politische Agenda mag näher an den Programmen der großen europäischen Parteien sein, trotzdem fremdelte der Präsident in seiner ersten Amtszeit mit Europa. Von Mitt Romney heißt es nun, er sei schon eher ein Transatlantiker, doch wird auch er die unter Obama beherzt vollzogene Wendung in Richtung Pazifik nicht aufgeben. Nur unheilbar Linke glauben, dass Romney die USA in immer neue Kriege treiben werde, genauso wie nur unheilbar Konservative denken, dass Obamas seicht sozialdemokratische Reformen die Supermacht in kürzester Zeit ruinieren könnten. Die Außenpolitik der USA wird aus finanziellen und machtpolitischen Gründen konstant bleiben.

Der Grund für das immense Interesse an der US-Wahl hierzulande liegt in deren monumentaler, hollywoodesker Inszenierung. Im schier endlosen Konfettiregen duellieren sich ein hölzerner Mormone und ein charismatischer Nobelpreisträger, der kein Fettnäpfchen auslassende Romney und der in vier Jahren weise ergraute Obama. Und dann siegt der chancenlose Romney plötzlich überzeugend im TV-Duell. Großes Kino.

In Ermangelung charismatischer Politstars in Deutschland, eingeschläfert von gefühlt 20 Jahren Merkel und in Erwartung einer großen Koalition 2013, von der niemand Großes erwartet, wirkt das inszenierte Duell aus den USA erfrischend. Da macht es auch nichts, dass Obamas Programm konservativer ist als das der CDU.

Wer ist die deutsche Tea Party, die FDP oder die CSU?

Wer mag, kann sogar überlegen, ob die Steuern verschmähende FDP oder die dauerpolternde CSU die deutsche Tea Party ist. Doch so richtig extrem sind am Ende des Tages beide nicht. Nichts zu vergleichen gibt es dagegen bei den Partnern der Kandidaten. Joachim Sauer hält keine flammenden Parteitagsreden in ärmellosen Kleidern. Auch bei prominenten Fürsprechern sieht es in Deutschland mau aus. Oder wann hat Til Schweiger zuletzt einen Dialog mit einem Stuhl geführt?

Hochgehalten wird das Interesse an der US-Politik zusätzlich durch das System der Vorwahlen. Wie Sporttabellen lassen sich die Ergebnisse auslesen, die US-Karte wird mal rot und dann wieder blau, Staat für Staat, es ist ein wirkliches Rennen. Und so viel Geld in diesem Marathon auch verpulvert wird, sobald man den Begriff SPD-Troika vor seinem geistigen Auge hat, erscheint plötzlich jeder Betrag legitim.

Ohnehin ist es ein Duell der Zahlen. Vorwahl-Prozentpunkte, Umfragewerte, Spendengelder, Online-Unterstützer, prominente Fürsprecher. Wer hat mehr? Wer den längeren Atem? Es bleibt spannend. Großer Sport.

Dass auch Europa Dramen liefern kann, hat zuletzt Frankreich bewiesen. Hier der aufgekratzte Sarkozy, der in schrillem Ton und wild gestikulierend erklärte, alles werde so bleiben, wie es ist, nur noch stabiler und sicherer werden. Dort Hollande, der beinahe einschlafend radikale Reformen, ja den kommenden Sozialismus verkündete. Diese Inszenierung war eher absurd, die Finanznot legte dem späteren Wahlgewinner früh Fesseln an. Die große Show findet halt doch in den USA statt.

Für die Menschen dort wird der 6. November reale Konsequenzen haben. Ob existenzieller Natur, wie bei der umfassenden Gesundheitsversorgung oder eher kosmetischer, wenn es darum geht, ob Superreiche dank weiterer Steuervorteile noch viel reicher werden oder doch nur ein bisschen. Für die Europäer heißt es dagegen: zurücklehnen, Show genießen.

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