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Zündet uns nicht an! Plakat von Anwohnern der Rigaer Straße und der Liebigstraße in Friedrichshain, wo bereits mehrere Brandanschläge verübt wurden.

© Henning Onken

Kontrapunkt: Zündet uns nicht an!

Seit Monaten ziehen Brandstifter durch Berlin, zündeln in Hausfluren, Kellern oder auf Dächern. Anwohner fürchten um ihr Leben, die Polizei ist fast immer machtlos. Was können wir tun?

Die Nachbarn hatten nicht gegrillt, leider. Der Brandgeruch, der in unsere Wohnung zog, kam vom Dachstuhl, aus dem bereits Flammen schlugen. Wieder einmal stand ich mit den Bewohnern meines Hauses nachts auf der Straße und sah einem Feuerwehreinsatz zu. Diese Erfahrung machen derzeit viele Berliner.

Seit Monaten ziehen Brandstifter nachts durch die Stadt, zündeln mal in Hellersdorf, dann in Neukölln oder seit gestern auch mitten in Prenzlauer Berg. Kinderwagen, Müllcontainer, Dachböden, Fahrzeuge und Kellerverschläge - nichts scheint vor ihnen sicher zu sein. Manchmal sieht es so aus, als ziehe ein Feuerteufel seine Spur durch einen Kiez. Dann brennt es wieder an so vielen Orten in der ganzen Stadt, dass unmöglich ein Einzelner dahinter stecken kann.

Diese Taten sind feige, keine Frage. Sie bedrohen unser Leben aus der sicheren Deckung der Nacht heraus und lassen uns, die Bewohner, ratlos zurück. Wir schrecken aus dem Schlaf hoch, wenn wieder ein Helikopter über dem Kiez kreist und gehen bei dem Hauch eines Brandgeruchs vor die Tür. Die Polizei rät, die Haustüren zu schließen und wachsam zu sein. Doch bei der Aufklärung dieser Taten kommen die Ermittler kaum voran. Jedes dritte Feuer wird mutwillig gelegt, sagt die Polizei.

Ich wohne in einem "besonderen Haus", es ist das Nachbarhaus der im Februar geräumten Liebigstraße 14 in Friedrichshain. Die ständigen Anschläge auf unser Haus haben einen "politischen Hintergrund", wie die Polizei sagt. Es kommt vor, dass Betrunkene Steine auf die Fenster werfen, weil sie uns für die neuen Bewohner des ex-besetzten Hauses halten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass im Hinterhof Müllcontainer brennen. Einmal hat ein Mitbewohner zwei Vermummte dabei ertappt - "Ach so", sollen sie gesagt haben, als er sie auf ihr lebensgefährliches Tun hin ansprach. Sie hätten ihm sogar geholfen, die brennenden Container auf die Straße zu rollen, erzählte er weiter. In einer Nacht haben sich besonders irre Zeitgenossen sogar dazu hinreißen lassen, die tragenden Balken des Dachbodens anzusägen.

Wir haben inzwischen Rauchmelder in der Wohnung installiert, einen Feuerlöscher gekauft und Briefe an die Hausverwaltung geschrieben. Alles in dem Wissen, dass es wenig an der Situation ändern wird.

Schließlich hat sich jemand ein Herz gefasst und ein Nachbarschaftstreffen organisiert. Das war, wie sich später herausstellte, eine gute Idee. Wir haben gemeinsam einen Zettel verfasst, der jetzt an vielen Häusern der Straße klebt. "Zündet uns nicht an!", heißt es darauf, ohne mit dem Finger auf einen bestimmten Täterkreis zu deuten. Über die Zündler wissen wir nichts. Wir können nur spekulieren, welche wahnsinnigen Begründungen sie sich für ihre Taten zurechtlegen, doch das ist wenig hilfreich.

Seit die Zettel hängen, hat es nicht mehr gebrannt. Ich hoffe, dass zumindest einigen Tätern deutlich geworden ist, dass in diesen Häusern Menschen leben, die ein Recht darauf haben, den Frust der Zündler zu überleben.

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