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Meinung: Korrespondierende Röhren

Warum die USA und Deutschland über Russland und die Ostseepipeline streiten

Ein „Affront“ ist eine durch Öffentlichkeit und Brüskierung in Wort oder Tat charakterisierte Beleidigung. So definiert den Begriff das Online-Lexikon „Wikipedia“. All das trifft zu. Der US-Botschafter in Schweden, Michael M. Wood, hat in einem ganzseitigen Artikel in der Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ von der Regierung in Stockholm gefordert, die geplante Ostseepipeline zu verhindern. Das ist ein Affront gegen die Bundesrepublik.

Was sich nun anbahnt, ist ein handfester transatlantischer Streit über den Umgang mit Russland und dessen Energieexporten. Denn Schweden kann das Projekt in der Tat torpedieren. Stockholm muss zustimmen, bevor gebaut werden darf. Drohen die Nachbeben des Kaukasuskrieges, den Westen zu spalten? Etwa 32 Prozent der deutschen Ölimporte kommen aus Russland sowie 36 Prozent der Gasimporte. Damit ist Russland Lieferant Nummer eins für die deutschen Energieverbraucher.

Von keinem anderen Land sind wir abhängiger. Tendenz steigend, wofür auch der Atomausstieg verantwortlich ist. Falls es nicht gelingt, die Atomkraft bis 2020 durch Sparen und regenerative Energien zu ersetzen, was leider unwahrscheinlich ist, wird insbesondere der Hunger nach sauberem russischen Erdgas steigen. An der Spitze des Aufsichtsrates des Pipeline-Betreiberkonsortiums „Nord Stream“, geführt vom russischen Gasriesen Gasprom, steht Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. In dessen Regentschaft wurde der Atomausstieg beschlossen.

Nun ist die Angst vieler Deutscher vor den Risiken der Kernkraft immer noch größer als ihre Abscheu vor neuem russischen Hegemonialstreben. Lieber sollen Panzer durch Südossetien rollen, als dass bei uns Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängert werden. Der Wille, sich im Energiebereich von Moskau zu emanzipieren, ist zwar verbal vorhanden, wird aber faktisch nicht umgesetzt. Angela Merkel kennt das deutsche Gemüt. Deshalb hält sie, wohl nicht ganz ohne Magengrummeln, am Pipelineprojekt fest.

Ebenso klar hat sich der Außenminister und neue Kanzlerkandidat der SPD positioniert. Fast in demselben Maße, wie die Pipeline mit dem Namen Schröder verbunden ist, verbindet sie sich mit Frank-Walter Steinmeier, sowohl historisch als auch inhaltlich. Und weder Linke noch Grüne oder Liberale kritisieren das Vorhaben. Die Pipeline wird von der größten aller möglichen Koalitionen unterstützt. Polen und Balten stießen mit ihren Einwänden in Berlin stets auf taube Ohren.

Das kann, ja muss sich jetzt ändern. In der Tat spiegelt die amerikanische Intervention die Linie der US-Regierung adäquat wider. Die Ereignisse in Georgien haben Washington schockiert. Das Bedürfnis, Russland in die Schranken zu weisen, ist gestiegen, die Bereitschaft, dabei auf europäische Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, entsprechend gesunken. Während man hier über Wiederaufbauhilfe für Georgien und die Entsendung von Beobachtern debattiert, denkt die US-Regierung über härtere Maßnahmen nach.

Was früher Russlands Raketen, sind heute seine Rohstoffe. Die Erlöse aus deren Verkauf machen das Land mächtig genug, um weiterhin Imperium spielen zu können. So betrachtet dient auch der dem Weltfrieden, der die russischen Energieverkaufserlöse reduziert.

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