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Meinung: Kreative Buchführung

Von Gerd Appenzeller Ob der frühere portugiesische Ministerpräsident Antonio Guterres ein politischer Bewunderer des legendären britischen Premierministers Winston Churchill gewesen ist, wissen wir nicht. Aber dass er einen der viel zitierten Zynismen des Engländers als politische Orientierung benutzt hat, steht immerhin fest.

Von Gerd Appenzeller

Ob der frühere portugiesische Ministerpräsident Antonio Guterres ein politischer Bewunderer des legendären britischen Premierministers Winston Churchill gewesen ist, wissen wir nicht. Aber dass er einen der viel zitierten Zynismen des Engländers als politische Orientierung benutzt hat, steht immerhin fest. „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“, soll Churchill gesagt haben – und Guterres ließ über Monate hinweg die Daten manipulieren, die die portugiesische Nationalbank im Rahmen der Überwachung der europäischen Stabilitätskriterien nach Brüssel melden muss. So stand Lissabon mit einem avisierten Haushaltsdefizit von 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes noch im Frühjahr ganz gut da. Inzwischen sind Guterres und seine Sozialisten abgewählt worden, das tatsächliche Haushaltsdefizit steht fest. Es sprengt mit 4,1 Prozent den durch den Maastrichtvertrag gesetzten Rahmen von drei Prozent, und das Entsetzen darüber ist groß.

Der Regelverstoß der Portugiesischen Regierung ist nicht nur eine wirtschaftspolitische Sünde, die man wegen einiger Besonderheiten noch als lässlich betrachten könnte. Alarmierend ist die kriminelle Energie, mit der die Regierung Guterres die Zahlen frisieren ließ. Es war ja vorhersehbar, dass das Lügengespinst irgendwann zerreißen würde. Aber Guterres hatte wohl gehofft, der Wirtschaftsboom würde ihm im März noch zu einem Wahlsieg verhelfen und die Tatsache, dass das ökonomische Wunder nur auf Pump finanziert war, erst später an den Tag kommen. Sein Nachfolger, José Manuel Durao Barroso, hatte, von bösen Ahnungen getrieben, nach seinem Wahlsieg einen Kassensturz angeordnet, durch den die Trickserei des Vorgängers offenbar wurde.

Was in Portugal geschah, entspricht leider der Schreckensvision des früheren Bundesfinanzministers Theo Waigel von der vermeintlichen südeuropäischen Kreativität in der Buchführung. Portugal wäre heute kein Mitglied der Euro-Zone, wenn nicht die ehemalige konservative Regierung von Cavaco Silva das Land in eine eiserne Haushaltsdisziplin gezwungen hätte. Waigel hatte immer die Sorge umgetrieben, dass einzelne Euro-Länder aus innenpolitischen Gründen die Staatsdefizite aufblähen und damit die Stabilität des gesamten Währungsgefüges gefährden könnten. Genau dies ist jetzt geschehen.

Dass es mit Portugal ein kleineres Land der Währungsunion ist, das eklatant gegen die Maastrichtkriterien verstieß, macht den Schaden abgrenzbar und überschaubar. Aber auch in Deutschland gibt es, etwa seitens der Gewerkschaften, durchaus Überlegungen, die Stabilitätskriterien nicht so engherzig auszulegen. In Frankreich ist ein solches Verhalten in der Ära Jospin schon fast als normal empfunden worden. Das Erwachen kommt also gerade noch zur rechten Zeit.

Erst durch den Euro hat Europa zu einer ökonomischen Stabilität und Gleichförmigkeit der Entwicklung gefunden, wie sie noch vor 15 Jahren, bei Inflationsraten von sieben bis acht Prozent in manchen Ländern, völlig undenkbar schien. Offensichtlich vergessen aber gerade eher linke Regierungen leicht, dass die Inflation, mit der man – wie Guterres – die Konjunktur anzukurbeln hofft, zuerst an der wirtschaftlichen Substanz der unteren Gesellschaftsschichten frisst. Vor dem Euro konnte man eine solche Mentalität des Wertverfalls auf ein Land begrenzen. Heute infiziert sie alle anderen Volkswirtschaften mit.

Die strenge Ahndung leichtfertiger oder gar absichtlicher Verstöße gegen die Kriterien des Maastrichtvertrags liegt deshalb im Interesse aller Länder der Euro-Zone. In Portugal gab es weder Naturkatastrophen noch schwere Rezessionen, die eine ungewöhnliche Verschuldung gerechtfertigt hätten. Was dort geschah, darf sich nicht wiederholen.

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