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Krise in Europa: Eine sehr kleine Koalition

Der Weg aus der Krise wird nicht leicht. Umso wichtiger ist es, dass die Regierung das Vertrauen der Bürger genießt. Doch davon kann bei schwarz-gelb keine Rede sein. Zu Zeiten der großen Koalition war das noch anders.

Von Antje Sirleschtov

In Italien und Spanien erheben sich die Menschen zu Massenprotesten. Sie wollen nicht für eine Krise bluten, die sie nicht verursacht haben, die sie nicht verstehen, für die sie jetzt aber zahlen sollen. Zur gleichen Zeit kaufen die europäischen Zentralbanker Staatsanleihen, um die Brandnester der Krise in Rom, Madrid und anderswo auszutreten, bevor sie der Wind zum Feuersturm anfacht. Das könnte unser Geld kosten.

Und Griechenland will einfach nicht auf die Beine kommen. Trotz der Milliarden, die wir dem Land geliehen haben, damit es Zeit gewinnt, seine Wirtschaft anzukurbeln und die Schulden zu bekämpfen. Der Untergang ist nicht verhindert. Und wenn Athen aus dem Euro fällt, dann werden auch seine Retter, dann werden auch wir nicht ungeschoren davonkommen.

Das große Projekt Europa, es erlebt den Augenblick seiner Bewährung. Pathos hin, Pathos her: Wir stehen im Auge des Orkans. Heute noch hoffen wir, dass alles gutgehen wird. Morgen schon kann er uns hinwegreißen. „Der Euro ist nicht nur eine Währung“, hat die Kanzlerin am Mittwoch im Bundestag gesagt. Das spürt jeder. Die Herausforderung ist von historischer Dimension.

Doch wer soll das schultern, wem können wir zutrauen, dass er uns durch die Stürme führt, die vor uns liegen? Wo doch niemand weiß, wo lang der richtige Weg zu führen hat. Zur bitteren Erkenntnis dieser Tage gehört, dass es keine einfachen Lösungen gibt, die uns aus dieser Krise führen werden. Dass heute Entscheidungen getroffen werden müssen, deren Richtigkeit sich erst in der Zukunft erweisen wird. Und vor allem: Dass jeder Schritt nicht nur von der eigenen Kraft abhängig ist, sondern vom Zutun anderer Regierungen und von der Akzeptanz unserer Nachbarn in Europa.

Lesen Sie weiter auf Seite zwei, was unter schwarz-rot anders war.

In solchen Zeiten gibt es nur noch eine einzige Währung, die trägt: Vertrauen. Schauen wir zurück in den Sommer 2008, als schon einmal ein Abgrund in bedrohliche Nähe rückte. Auch damals begleitete mehr guter Rat als Gewissheit das Tasten der Welt nach festem Boden unter den Füßen. Und doch fassten die Deutschen im Augenblick größter Turbulenzen Vertrauen in ihre Regierung. Sie taten es trotz aller Differenzen, die dieser großen Koalition aus Union und SPD innewohnten. Es war das Bild der Kanzlerin und ihres Finanzministers, das Vertrauen gab und an das man sich heute zuweilen mit Wehmut erinnern möchte.

Was waren das noch für Zeiten. Und zwar nicht in erster Linie, weil Angela Merkel und Peer Steinbrück dem Volk versprachen, man werde seine Ersparnisse sichern. Sondern vor allem, weil es beide vermochten, den Menschen die Gewissheit zu vermitteln, dass diese große Koalition die innere Kraft dafür aufbringen wird, all das zu überwinden, was sie daran hindern könnte, das Land und seine Menschen aus dieser Krise herauszuführen. Dieses Vertrauen hat uns durch den Sturm getragen.

Diese Regierung, diese Koalition aus CDU, CSU und FDP kann solches Vertrauen nicht vermitteln. Da mag die Kanzlerin noch so oft beteuern, dass es ihr fester Wille ist, heute Europa so gestärkt aus der Krise zu führen, wie es einst mit Deutschland gelang. Wobei man es Merkel sogar abnehmen möchte, dass ihr die Fähigkeit zur kühlen Analyse auch diesmal ein weiser, weil besonnener Ratgeber im Krisenlabyrinth ist.

Doch das reicht nicht. Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble können den Kampf an den Krisenherden Europas nur erfolgreich bestehen, wenn hinter ihnen eine Koalition der Vernunft und des Verantwortungsbewusstseins versammelt ist. Nur einer solchen Mannschaft werden die Menschen vertrauen, dass sie unsere sauer verdienten Euro nicht leichtfertig in europäische Rettungsprojekte investieren werden, von denen heute niemand wissen kann, ob sie Erfolg haben. Wie soll man dieses Vertrauen aber in eine zerstrittene Truppe der Westerwelles, Röslers und Seehofers haben, die beinahe täglich dokumentieren, dass sie noch nicht einmal wissen, wo ihre eigene Mitte ist und wo der Kern ihrer Verantwortung in diesen Krisenzeiten liegt.

Nein, für das große Projekt Europa ist diese Koalition zu klein.

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