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Meinung: Krisen-Jo-Jo

Aufschwung? Von wegen! Auf Deutschland kommen erneut harte Zeiten zu

War da was? Es scheint, als sei die tiefste Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte im Nichts verschwunden. Die Börsen haben den Absturz längst weggefeiert, die Unternehmer sind wieder prächtig gelaunt, die Arbeitslosigkeit geht zurück. Rund anderthalb Prozent Wachstum sagen die Konjunkturforscher wieder für dieses und das nächste Jahr voraus – das ist nicht berauschend, aber ganz anders als die Szenarien jahrelanger Entbehrung, an denen sich Krisenpropheten noch vor einem Jahr delektierten.

Trotzdem ist es längst nicht an der Zeit, den Champagner für die nächste Party kalt zu stellen. Von einem echten Aufschwung zu sprechen, wagt derzeit niemand aus dem Ökonomenlager. Zu mickrig ist das Wachstum, zu fragil die Lage, als dass man die Zeiten normal nennen könnte. Und es sieht aus, als ob sich das Land sehr lange mit einer Konjunktur im Kriechgang herumärgern muss.

Auf jede Finanzkrise folgte in der Geschichte eine solche Durststrecke, hat der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff herausgefunden. Weil die Banken sich entschulden müssen, Unternehmen an den Investitionen sparen, Verbraucher ihr Geld lieber auf die hohe Kante legen und der Staat klamm ist. Exakt in dieser Lage befindet sich die Bundesrepublik. Und von keiner Seite ist Rettung zu erwarten. Nicht von den Notenbanken, weil sie nicht ewig Geld drucken. Auch vom Export nicht, der die deutschen Firmen in den vergangenen Jahren noch jedes Mal nach vorne gebracht hat. Ausgerechnet die Märkte, auf denen sie traditionell stark waren, stecken in großen Problemen. Nicht Europa und Amerika sind heute die Wachstumszentren, sondern die Schwellenländer in Asien und Lateinamerika.

Dass der Jobmarkt den mageren Zeiten trotzt, ist einer der wenigen Lichtblicke. Aber kein Wunder, wie manch einer glaubt: Nicht nur die massiven staatlichen Subventionen für die Kurzarbeit verhindern Entlassungen. Sondern mehr noch die Erkenntnis in den Unternehmen, dass in jedem Jahr wegen der Demografie 100 000 Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen. Da ist es für einen Personalchef beinahe überlebenswichtig, an der bewährten Mannschaft festzuhalten.

Der große Bremser für das Wachstum dürfte indes der Staat werden. Die Ausgabenprogramme, mit denen der Bund die tiefste Krise zu lindern versucht hat, laufen bald aus. Zugleich muss die Politik der Schuldenbremse hinterhersparen. Der Staat kann also nicht noch einmal mit Milliarden um sich werfen. Ebenso wenig werden die Boomzeiten der Jahre 2006 und 2007 zurückkehren, die dem Finanzminister anstrengungslosen Wohlstand in seinen Kassen beschert hatten.

Subventionsabbau, Leistungskürzungen, Mehrwertsteuererhöhung – diese altbekannten Überschriften werden die Finanzdebatte der kommenden Jahre bestimmen. Und die Frage, welche Aufgaben der Staat überhaupt noch erfüllen kann, welche Ansprüche der Bürger an ihn noch stellen kann. Die eine Krise ist gerade vorüber, die andere beginnt gerade erst.

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