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Krisenstimmung: Konjunktur der Apokalyptiker

Klimaerwärmung, 11. September, Finanzkrise: Der Weltuntergang rückt immer näher. Doch so schwarz wie ihre Beschreibung wird die Wirklichkeit nie.

Eins ist sicher: Nichts ist sicher, nur der Tod. Das quält die Menschen seit Urzeiten. Sie sind vernunftbegabt, können rechnen und hochrechnen, planen und in die Zukunft sehen. Und am Ende soll das alles nichts nützen, weil die Imponderabilien stärker sind? Das darf nicht sein. Entweder wir kriegen die Zukunft in den Griff – oder wir haben keine: In diese Alternative hat sich der moderne Mensch hineingedacht.

Prognosen und Prophezeiungen, stets auf solide Wissenschaft gestützt, haben daher Konjunktur. „Die kapitalistische Produktion“, schrieb Karl Marx, „erzeugt mit der Notwendigkeit eines Natur prozesses ihre eigene Negation.“ Vor 210 Jahren wiederum kam der britische Ökonom Thomas Malthus zum Ergebnis, dass die Nahrungsmittelproduktion mit der Bevölkerungsexplosion nicht werde Schritt halten können. Der weise Spott Karl Poppers über solch „orakelnde Philosophie“ verhallte. Die Wahrsagerei ging munter weiter, immer öfter mündete sie in apokalyptischen Visionen.

Zu Zeiten der Friedensbewegung etwa war es viele Jahre lang fünf vor zwölf. Ein dritter Weltkrieg, atomar und erdzerstörend, schien gewiss zu sein. Am Ende war Michail Gorbatschow da – und die Mauer nicht mehr. Und in der praktischen Konsequenz hatten die Demonstrationen nur dazu geführt, dass Helmut Schmidt von Helmut Kohl abgelöst wurde.

Die Sorgen der Friedensbewegten gingen nahtlos über in die der Umweltschoner und Klimaschützer. Nun zerbrechen die sich leidenschaftlich den Kopf darüber, auf welchen Wert die Treibhausgase am Ende dieses Jahrhunderts gestiegen sein könnten. Wie immer steht das Überleben der Zivilisation auf dem Spiel.

Bemerkenswert an der Evolution der apokalyptischen Rhetorik ist, dass sie inzwischen, über drei Stationen, ganz oben angekommen ist. Erste Station: globale Klima erwärmung. Die deutsche Bundeskanzlerin und der ehemalige US- Vizepräsident klingen heute kaum anders als früher Franz Alt, Hoimar von Ditfurth oder Robert Jungk. Zweite Station: die Terroranschläge vom 11. September 2001. Amerikanische Neokonservative witterten plötzlich einen neuen Weltkrieg, ein Armageddon zwischen den Mächten der Freiheit und denen der Finsternis. Der „Krieg gegen den Terrorismus“ von George W. Bush wurde zu seiner „historischen Mission“.

Dritte Station: die Finanzkrise. Kein Tag vergeht, an dem die Horrorszenarien der Manager und vieler Politiker nicht ebenso apokalyptisch klingen wie die Apokalypse selbst. „Das ist eine Strukturkrise, die die Welt zutiefst verändern wird“, sagt Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Die US-Wirtschaft befinde sich in einer „Krise von historischem Ausmaß“, be findet Barack Obama. Eine „Be drohung unserer Gesellschaftsordnung“ befürchtet Angela Merkel.

Nein, nicht mehr allein exotische Futurologen, sozialistische Geschichtsdeuter und säkulare Weltretter beherrschen den Untergangsdiskurs, sondern den schrillsten Alarmismus verbreiten jene, die für das Kühlhalten ihres Kopfes bezahlt werden – die Regierenden.

Und so rennt die Wirklichkeit mit hechelnder Zunge ihrer düsteren Beschreibung hinterher. So schwarz wie ihre Beschreibung indes wird die Wirklichkeit nie. Das ist ein schwacher Trost in einer Zeit der starken Worte.

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