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Meinung: Kritik der politischen Vernunft

Die EU will mehr Einfluss in Asien – und setzt sich mit einer Diktatur an einen Tisch

Dass Asien politisch und wirtschaftlich wichtiger wird, ist seit langem bekannt. Dass die Asiaten Europa inzwischen jedoch dazu bringen können, Beziehungen mit einer Diktatur zu pflegen, ist neu. Genau das ist beim Asien-Europa-Treffen (Asem) in Hanoi passiert. Neben den zehn neuen EU-Staaten und Laos und Kambodscha wurde auch die Diktatur Myanmar Asem-Mitglied. Die Vertreter der Europäischen Gemeinschaft waren dagegen, nahmen die Menschenrechtsverbrecher aus dem ehemaligen Birma schließlich aber doch auf.

Das hätte nicht passieren dürfen: Myanmar wird seit 1962 unrechtmäßig von Militärs regiert. 1990 wurde der Wahlsieg von Aung San Suu Kyi nicht anerkannt. Die Friedensnobelpreisträgerin steht unter Hausarrest, hunderte politische Gefangene sind in Haftanstalten oder Arbeitslagern.

Ohne den Beitritt von Myanmar hätten die Asiaten den Gipfel vermutlich platzen lassen. Europa ist für Asien nicht mehr so wichtig wie früher. Mit Japan, China, Indien, Südkorea, Taiwan, Singapur, Malaysia und Australien gibt es in ihrer Region reichlich Handelspartner, die ebenso interessant sind wie die Staaten der EU. Thailand feiert ein Wirtschaftscomeback und stellt möglicherweise den nächsten UN-Generalsekretär. Der schlafende Riese Indonesien hat endlich einen fähigen Regierungschef und stellt zudem derzeit den Präsidenten der Petrolexporteure Opec.

Die Europäer schluckten die Myanmar-Pille, weil sie in Asien mit den USA konkurrieren. Das Asien-Europa-Treffen ist wichtig, weil die USA nicht dazugehören. Auch in anderen Rahmen tauschen Europäer und Asiaten sich zwar aus, doch die meisten Foren werden von den USA dominiert. Die Europäer sehen erstaunlich entspannt zu, wie die USA mit asiatischen Ländern bilaterale Freihandelsabkommen schließen. Zum Beispiel mit Vietnam, wo gerade der Asem-Gipfel stattfand und die Wirtschaft rasend schnell wächst.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in Hanoi vorgeschlagen, mit Hilfe von Asem gemeinsame europäische und asiatische Interessen auch gegenüber Partnern deutlicher zu machen, zum Beispiel bei den Vereinten Nationen oder bei der Welthandelsorganisation. Weil sich das wie eine Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten anhörte, musste der Kanzler nachschieben, eine solche Kooperation beider Regionen sei gegen niemanden gerichtet.

Der Gipfel in Vietnam hat gezeigt, wie viel Europa am Asem-Dialog liegt. Die Gruppe repräsentiert 40 Prozent der Weltbevölkerung und gut die Hälfte des weltweiten Bruttosozialproduktes. Es war nicht prinzipientreu, aber im europäischen Interesse, sich dem asiatischen Druck zu beugen. Für Schröder ging es jedoch nicht nur um rein wirtschaftliche Interessen: Er warb in Hanoi auch für einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Die EU ließ sich vom politisch nicht gerade schwergewichtigen südostasiatischen Staatenbund Asean, der sein Mitglied Myanmar dabei haben wollte, nötigen: Das Land wurde am Wochenende nicht ausnahmsweise an den Tisch gelassen, die Diktatur ist jetzt volles Asem-Mitglied, in Zukunft also immer dabei. Das wiegt schwerer als die Beteuerung, dass aus Myanmar künftig nur ein Minister an dem Forum teilnehmen darf. Und selbst das wird schon beim nächsten Asem-Treffen 2006 in Finnland zu Problemen führen, denn die EU-Sanktionen gegen Myanmar schließen das Einreiseverbot für Regierungsmitglieder ein.

Die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft werden diese Sanktionen an diesem Montag sogar noch verschärfen. Das Einreiseverbot wird nur aufgehoben, wenn jemand zu Treffen kommen will, bei denen über Menschenrechte und Demokratie diskutiert wird. Die Themen werden Asem durch die Myanmar-Aufnahme also erhalten bleiben.

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