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Kritischer Konsum: Die Kosten der Moral

Ob Kaffee, Fleisch, Spielzeug, Milch, Benzin, Kleidung oder Strom: Alles muss teurer werden. Sonst ist es nicht gut. Der hypermoralisierende Produktdiskurs spaltet die Gesellschaft.

Es gibt Menschen, die rechnen müssen. Menschen, die Monat für Monat nur knapp über die Runden kommen, wie es beim Boxen heißt, wenn der Unterlegene einen Kampf ohne Knock-out übersteht. Menschen, die gezwungen sind, bei Aldi, Lidl und Penny die billigen Handelsmarken zu kaufen. Menschen, die keine zwanzig Euro für ein T-Shirt ausgeben können. Es ist traurig, daran erinnern zu müssen – und leider höchst aktuell.

Denn seit einiger Zeit wird in Deutschland der Erwerb von Produkten massiv moralisiert. Nach der Brandkatastrophe von Bangladesch diskutierte Günter Jauch über die Frage: „Schöne Bescherung – Wer muss für unsere Geschenke leiden?“ Anne Will befasste sich mit dem Thema „Zu süß, zu billig, zu ungesund“. Städte wie Bergisch-Gladbach bemühen sich darum, als Fairtrade-Stadt anerkannt zu werden. Beim Kinderspielzeug wird der Plastikschrott aus China verteufelt, die heimischen Holzbauklötze dagegen werden glorifiziert. Und unter dem Strich lautet das Resümee immer gleich. Ob Kaffee, Fleisch, Spielzeug, Milch, Benzin, Kleidung oder Strom: Alles muss teurer werden. Sonst ist es nicht gut. Dieses „gut“ wird in einem übergeordneten Sinn verstanden als wertvoll, gerecht, sauber, anständig.

Der hypermoralisierende Produktdiskurs spaltet die Gesellschaft, weil stillschweigend davon ausgegangen wird, dass Einsicht bereits zur Besserung führen kann: Wir haben’s ja, zahlen also gerne etwas mehr für Strom, Fleisch, Bio-Vollmilch und Marken-T-Shirts, an denen kein Blut klebt. Doch das „Wir“, das sich seine höhere Moral bequem leistet, ist ein exklusives, ja elitäres „Wir“. Es schließt jene aus, die jeden Cent umdrehen müssen. Und weil es um Ethik und Weltverbesserung geht, ist der Arme plötzlich nicht bloß arm, sondern trägt durch sein Konsumverhalten unausgesprochen auch Mitschuld daran, dass die Umwelt verschmutzt wird, Arbeiter in der Dritten Welt leiden, zu viele Tiere verspeist werden.

Natürlich sagt das so keiner. Aber es schwingt in dem propagierten Ideal des gesunden und nachhaltigen Lebens mit, das halt zum Billigtarif nicht zu haben ist. Politisch ausgedrückt: Die Grünen brauchen ein Korrektiv, ob von links oder rechts.

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