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Kundus-Ausschuss: Ein Parlament lernt Krieg

Oberst Georg Klein hatte im September US-Kampfpiloten befohlen, zwei entführte Tanklastzüge zu bombardieren. Rund 140 Menschen starben. Wenn die Parlamentarier im Untersuchungsausschuss etwas aufgeklärter werden, hätte der Ausschuss weit über seinen Anlass hinaus seine Berechtigung.

Zwei Bemerkungen vorweg. Erstens: Seit 2002 kämpft die Bundeswehr in Afghanistan. Es ist ihr bisher gefährlichster Einsatz überhaupt. Die Soldaten sind zwar gut ausgebildet, haben aber keine Erfahrung mit Krieg. Was man den „Eifer des Gefechts“ nennt, müssen sie an Ort und Stelle erfahren, erleiden, einüben. Zweitens: Ob sie am Hindukusch im Krieg sind oder dort lediglich kriegsähnliche Zustände herrschen, ob sie eine Art Polizeieinsatz für den Aufbau vernetzter Sicherheit leisten oder in einem bewaffneten Konflikt im Sinne des Völkerrechts stehen – über all das gehen die Ansichten in Politik und Justiz auseinander. Vor diesem die Soldaten doppelt belastenden Hintergrund sowohl ein Höchstmaß an Professionalität von ihnen zu fordern als auch absolute Klarheit darüber, was sie dürfen und nicht, grenzt an Überforderung.

Oberst Georg Klein hatte am Morgen des 4. September 2009 den Piloten amerikanischer Kampfjets befohlen, zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge, die auf einer Sandbank steckengeblieben waren, zu bombardieren. Rund 140 Menschen starben dabei, darunter viele Zivilisten. Gestern nun trat Klein überraschend im geheim tagenden Kundus-Untersuchungsausschuss auf. Er übernahm die Gesamtverantwortung und verteidigte seine Entscheidung auf Grundlage der in der Nacht vorhandenen Informationen.

Keiner wirft Oberst Klein vor, er habe böswillig zahlreiche Dorfbewohner umbringen lassen wollen. Stattdessen lautet die zentrale Frage: Durfte er in einer Situation, in der von den entführten Tanklastern keine unmittelbare Gefahr ausging, den Angriffsbefehl erteilen und den möglichen Tod unbeteiligter Menschen in Kauf nehmen? In einem asymmetrischen Krieg von staatlichen Verbänden gegen lose operierende Milizen oder Terroristen kann die gezielte Tötung feindlicher Verbände unter gewissen Umständen erlaubt sein – und der damit verbundene Tod von Zivilisten als unbeabsichtigte Nebenfolge in Kauf genommen werden. Ob eine solcher Fall in den Morgenstunden jenes 4. September vorlag, prüfen nun die Mitglieder des Verteidigungsausschusses und die Staatsanwälte in Karlsruhe. Wenn durch die Aufklärung in der Sache auch die Parlamentarier, die die Soldaten entsenden, etwas aufgeklärter werden, hätte der Ausschuss weit über seinen Anlass hinaus seine Berechtigung.

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