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Meinung: Labyrinth zum Frieden

Die Zeit für Zweideutigkeiten ist vorbei: In Nordirland müssen nun die Karten auf den Tisch

Nach fünf Jahren der Zweideutigkeit ist die Stunde der Klarheit gekommen: Die Fortführung des Friedensexperiments in Nordirland hat nur dann einen Sinn, wenn grundsätzlich Klarheit über die Absichten der Beteiligten geschaffen wird – darin sind sich die britische, irische und amerikanische Regierung einig. Der ehemalige Erste Minister Nordirlands, Unionistenchef David Trimble, verlangt das schon lange von der IRA und ihrem politischen Flügel Sinn Fein. Bloß, dass seine Methoden von Anfang an schlecht gewählt waren. Anstatt die Abkehr von gewaltsamen, illegalen Methoden zu fordern, versteifte sich Trimble auf das Verschrotten von Flinten. Und als die IRA dann tatsächlich mit ihrer Abrüstung begann, merkten die Protestanten, dass sie noch immer keine Klarheit über die langfristigen Absichten der IRA hatten.

Seit der Downing-Street-Erklärung von 1993, seit den Waffenstillständen republikanischer und loyalistischer Untergrundverbände im Herbst 94, und – vor allem – seit der Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens vor fünf Jahren herrschte fröhliche Zweideutigkeit. Nur so konnten die tiefen Gräben überbrückt werden. Aber wenn Nordirland je den Regeln der demokratischen Hygiene genügen soll, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Karten auf den Tisch zu legen.

Tony Blair hatte es schon im letzten Oktober angekündigt: Keine Salamitaktik mehr, keine widerwilligen Zugeständnisse, sondern die simultane Lösung aller noch offenen Probleme. Er bot Konzessionen wie Truppenabbau und Polizeireform an, im Gegenzug sollte sich die IRA aus dem paramilitärischen Geschäft zurückziehen. In den letzten Wochen allerdings zeigte sich, dass die beiden Regierungen die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten. Ewig wurde über die politisch-militärischen Zugeständnisse der Regierungen gefeilscht, aber offenbar machte sich niemand die Mühe, die IRA um einen Entwurf für ihren eigenen Übergang ins zivile Leben zu bitten. Deshalb die perplexe Reaktion der beiden Regierungen, als der Vorschlag vor Ostern auf ihre Schreibtische flatterte. „Ungenügend!“ schallte es empört aus Dublin, London und Washington.

Weshalb fällt es der IRA so schwer, auf Willkürjustiz, Waffenkäufe, Spionage und Rekrutierung zu verzichten? Könnte es sein, dass Sinn Fein und die IRA gehofft hatten, weiter mit dem Knüppel hinter dem Rücken demokratische Politik machen zu können? Die beiden Regierungen haben deshalb Recht, jetzt auf Klarheit zu bestehen. Denn es geht ja nicht mehr darum – wie im Zeitalter der Zweideutigkeit –, ob David Trimble persönlich bereit ist, ein erneutes Risiko einzugehen. Tatsache ist, dass er das nicht mehr kann: Die Mehrheit der Protestanten lehnt das Karfreitagsabkommen inzwischen desillusioniert ab. Nur eine radikale Veränderung der Rahmenbedingungen kann diese Erosion bremsen. Das positive Endergebnis dieses labyrinthischen Prozesses steht letztlich nicht in Zweifel, aber es ist Zeit, das Doppelspiel zu beenden.

Martin Alioth

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