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Bayern und Hessen reichten Klage gegen den Länderfinanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht ein.

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Länderfinanzausgleich: Berlin kann von der Klage profitieren

Dass Bayern und Hessen gegen den Länderfinanzausgleich klagen, ist der Versuch, an festgefahrenen Strukturen zu rütteln. Der hessische FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn glaubt sogar, dass es für Berlin eine Chance sein kann, endlich interne Reformen anzustoßen. Ein Gastbeitrag.

Die Klage der Länder Bayern und Hessen zum Länderfinanzausgleich ist ausdrücklich kein Akt aufgekündigter Solidarität. Es ist der Versuch, an festgefahrenen Strukturen zu rütteln. Mechanismen, die längst einer Überarbeitung bedurft hätten. Über Jahrzehnte haben die Länderregierungen aller Couleur es zugelassen, ein System am Leben zu erhalten, das eine vollautomatische Spirale in die Staatsverschuldung organisiert. Es ist schon paradox, dass wir in Hessen Jahr für Jahr neue Schulden aufnehmen (müssen), um anderen Bundesländern, die mehr Schulden haben, Geld zu überweisen. So darf es einfach nicht weitergehen.

Ich lasse das Argument nicht zu, dass solide Haushaltsführungen in Geberländern etwas mit zufälligen wirtschaftlichen Gegebenheiten zu tun haben. Es ist kein Zufall, ob man Nehmer- oder Geberland des Länderfinanzausgleiches ist. Die Erfolgsgeschichte Bayerns vom Nehmer- zum Geberland beweist dies. Natürlich profitieren wir Hessen vom Flughafen in Frankfurt, dem Finanzplatz sowie der starken industriellen Basis. Aber das hat auch mit politischen Weichenstellungen zu tun. So muten wir unseren Bürgern insbesondere in der Rhein-Main-Region hohe Belastungen zu, um wirtschaftlich Erfolg zu haben. Das ist kein Zuckerschlecken, das macht auch keinen Spaß.

Es ist vor allem nicht erklärbar, wenn der Erfolg am Ende in die Haushalte Berlins, Bremens oder des Saarlands fließt. Eine dieser Weichenstellungen war, im Wege einer Volksabstimmung einen Pakt für die Schuldenfreiheit unserer Kinder mit unseren Bürgern zu schließen und eine eigene Schuldenbremse in die hessische Verfassung zu integrieren. Diese zwingt uns, in den kommenden Jahren das eine oder andere wünschenswerte Projekt erst dazu umzusetzen, wenn wir das Geld dafür erwirtschaftet haben.

Berlin ist der größte Profiteur des Länderfinanzausgleichs

Berlin hat von dem Mauerfall wie keine andere deutsche Großstadt profitiert. Wirtschaftlich ist Berlin die Tourismus-, Politik- und Medienstadt Deutschlands geworden. Von öffentlicher Seite wurden neben den erheblichen Investitionen im Zuge des Umzuges der Ministerien und des Bundestages auch zahlreiche Jobs im öffentlichen Dienst von Bonn nach Berlin verlagert. Der Bund hat zudem die Finanzierung einzelner kultureller Institutionen wie die des Deutschen Historischen Museums, des Jüdischen Museums oder der Akademie der Künste übernommen. Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sei an dieser Stelle erwähnt.

Jörg-Uwe Hahn
Jörg-Uwe Hahn

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Dennoch ist Berlin mit Abstand das größte Nehmerland. Das passt im Grunde nicht zusammen. Schon im Jahr 2006 stieß die Argumentation „arm aber sexy“ beim Bundesverfassungsgericht auf taube Ohren. Denn Berlin sei „höchstwahrscheinlich“ selbst in der Lage, sich aus seiner schwierigen finanziellen Situation zu befreien. Seitdem ist nicht viel geschehen. Die Klage zum Länderfinanzausgleich könnte deshalb für Berlin die Chance sein, dass das Prinzip „Externes Geld erspart interne Reformen“ endlich aufgebrochen wird.

Weiter ungebremst in den Schuldensumpf?

Das Grundgesetz will die unterschiedliche Finanzkraft der Länder „angemessen ausgleichen“. Bei dem nunmehr angestrengten Verfahren wird es deshalb darum gehen, den Begriff der Angemessenheit in diesem Zusammenhang zu beleuchten. Es wird aber auch darum gehen, in Zeiten einer grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse und veränderter europäischer Haushaltsrahmenbedingungen zu überprüfen, ob man weiterhin ungebremst in den Schuldensumpf einfahren will.

Was wir brauchen, ist eine Schuldenbremse im System des Länderfinanzausgleiches, die auf der einen Seite den erfolgreichen Ländern die Chance lässt, ihre Sparanstrengungen an die Bürger weiterzugeben, es aber gleichzeitig schwerer macht, Schulden aufzunehmen. Dies wäre im Übrigen der wünschenswertere Wettbewerb als der von Herrn Söder vorgeschlagene Steuerwettstreit zwischen den Ländern.

Der Autor (FDP) ist hessischer Minister für Justiz, für Integration und Europa.

Jörg-Uwe Hahn

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