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Ende ohne Reue: Lance Armstrong gibt auf und verliert seine Titel.

© Reuters

Lance Armstrong: Der Spritzensportler

Lance Armstrong hat den Kampf aufgegeben, zugegeben aber hat er noch immer nichts. Es wäre typisch für den Radsport, würde nun Jan Ullrich aufrücken.

Er war der unumstrittene Herrscher des Feldes. Er war der Unerbittliche, Unantastbare, der Unfassbares erreicht hatte. Genesen von der lebensbedrohlichen Krankheit Krebs, erkletterte er sich mit dem Rad ein neues Leben und erklomm die sportlichen Gipfel, an denen Einträge in die Geschichtsbücher getätigt werden: Lance Armstrong, siebenmaliger Gewinner der Tour de France. Eine Legende am Berg; ein Vorbild auch für viele, die sich selbst zu überwinden versuchen. Keiner war so hart wie er. Keiner hat, wie jetzt vor aller Augen deutlich wird, so hart betrogen wie er.

Seinen Kampf gegen die US-Dopingermittler hat der Texaner am Freitag schnöde schmollend aufgegeben, seine Titel wurden ihm aberkannt. Doping gibt er nicht zu, der 40-Jährige will sich lieber ein wenig Opferschmerz anheften. Bis zuletzt hat er mit allen juristischen Mitteln um seinen Ruf gekämpft und einen letzten Ausreißversuch unternommen – die eigene Vergangenheit hat ihn eingefangen.

Lance Armstrong wird nicht aus den Geschichtsbüchern gestrichen, nur umgetragen. Sein Name wird fortan in den Annalen des Dopings vorne stehen. Dort gesellt er sich zu schillernden Figuren wie dem Wunder-Anabol-Sprinter Ben Johnson, dem Ski-Vorsichdavon- Läufer Johann Mühlegg und dem griechischen Olympia-Alb-Traumpaar Ekaterina Thanou und Kostas Kenteris. Und zu vielen Radfahrern, die ihre Tour-Siege längst vor Armstrong zurückgeben mussten.

Es ist ein Drama wie am letzten Anstieg: Die Teamkollegen, die den Unerbittlichen im Peloton einst unerbittlich abschirmten, haben am Ende gegen ihn ausgesagt, sie haben zur Wahrheit gefunden – einer Wahrheit, die aufgrund des schon aufgedeckten systematischen Dopings im Profiradsport niemanden mehr wirklich überraschen kann.

Der Radsport-Weltverband, seit Jahren beharrlicher Verharmloser und Verhinderer der Aufklärung, hat die Ermittlungen der US-Dopingagentur torpediert; auch Armstrong hat gekämpft fast bis zum Schluss – doch die Last der Beweise ist unerbittlich.

Es ist zu hoffen, dass Lance Armstrong nun endlich selbst zur Wahrheit findet und nicht einsam den Gipfel der Lügen zu erklimmen versucht. Jan Ullrich, drei Mal Zweiter hinter Armstrong, hat es trotz bedrückender und nahezu erdrückender Indizien nicht geschafft, sich und der Welt das Offensichtliche einzugestehen. Ich habe niemanden betrogen – dieser Satz des einstmals umjubelten Stars sagt alles über eine Sportart, in der Doping nach wie vor systemimmanent ist. Und in der (im Gegensatz zu anderen ebenfalls anfälligen Sportarten) überführte Athleten und Betreuer sichtbar nicht geächtet werden.

Was ist ein Sieg bei der Tour de France überhaupt noch wert? Absurd wäre es, wenn Ullrich nun einige der verlorenen Titel Armstrongs zuerkannt bekommen würde. Für den Profiradsport, der sich nicht von selbst zu erneuern versteht und der wegen der verschleppten Aufklärung wertvolle Jahre und viel Glaubwürdigkeit verloren hat, wäre es typisch.

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