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Meinung: Landtagswahlen: Rechts überholt

Das hatten wir doch schon mal, in grauer Vorzeit, als in West-Deutschland noch der Mief herrschte. Da gab es die Wahlplakate, die ja wohl mindestens unterschwellig dazu dienen sollten, die Bevölkerung zu spalten in Gute und Böse.

Das hatten wir doch schon mal, in grauer Vorzeit, als in West-Deutschland noch der Mief herrschte. Da gab es die Wahlplakate, die ja wohl mindestens unterschwellig dazu dienen sollten, die Bevölkerung zu spalten in Gute und Böse. Hier die einen, die sich um ihr Vaterland verdient machen, dort die "fünfte Kolonne Moskaus", der man auf keinen Fall die deutschen Geschicke überantworten darf, die es nicht verdient hat, vom Aufschwung zu profitieren. Wer das war? Die vaterlandslosen Gesellen von der SPD waren es, na klar.

Nach dem Aufbruch in den sechziger Jahren, nach der Phase modernisierter Demokratie mit der Wahl Willy Brandts 1969, die längst auch ein Konservativer wie Wolfgang Schäuble als notwendig akzeptiert - was erleben wir? Mit der Debatte um Nationalstolz kommt der Mief zurück. Ein Déja vu, während aus dem wiedervereinigten Deutschland immerfort über die Gefahr von Rechts berichtet wird. Und Wahlen in zwei Ländern anstehen.

Nationalstolz - der inflationäre Gebrauch dieses Worts fördert Ungeist. Hinzu kommt, dass die Parteien, die christliches Gedankengut für sich als Grundlage in Anspruch nehmen, durch ihr Verhalten offenbaren: Es geht ihnen gar nicht wirklich um den Inhalt, um die Definition und Bedeutung des Begriffs Nation in einem sich weitenden Europa. Es geht auch nicht darum, ob je und wie ein europäischer Patriotismus wachsen kann. Es geht nicht um Trittins Aussetzer, nicht wirklich. Trittin hat in dieser Frage keine intellektuelle Autorität. Nackt und bloß tritt hervor, um was es der Union geht - um einen, irgendeinen Weg zurück an die Macht.

Die Zielrichtung ist klar. Hinter Trittin steht Schröder. Attacken auf Trittin sollen den Kanzler und SPD-Chef in Abhängigkeit zu diesem umstrittenen Minister zwingen, auf dass seine Autorität leide. Die Union will eine Paradoxie ausnutzen: Trittin kann partei- und koalitionstaktisch gesehen nur schwer entlassen werden, wenn sie ihn so hart angreift.

Das "Verhältnis zum Vaterland" wird wie früher als Waffe eingesetzt: Wer nicht dafür ist, ist dagegen und ein vaterlandsloser Geselle. Quod erat demonstrandum. Eine differenzierte Diskussion ist da kaum mehr durchzusetzen. Die Union startet in Rheinland-Pfalz eine Unterschriftenaktion und geht ohne Sinn für Proportion agitatorisch vor. Durch ihre Überspitzung macht sie sich, wenn auch ungewollt, gemein mit der NPD. Sie stärkt in Baden-Württemberg die so genannten Republikaner. Das alles nimmt die CDU-Spitze in Kauf.

Und die SPD? Sie hat vorhergesagt, dass die Union in ihrer Not auf Angstthemen verfallen könnte, auf ressentimentgeladene, um für die Bundestagswahl 2002 wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Die SPD hat sich selbst gesagt, dass sie sich solche Themen nicht aufzwingen lassen darf und alles unterlassen muss, was Ressentiments Resonanz verschafft. Was aber tut Schröder? Er gibt dem Druck nach, erklärt sich zu nachdrücklich zum Patrioten und verteidigt in erhobenem Ton seine Partei. Als ob das nötig wäre. So erzielt Schröder höchstens diesen Effekt: Dass man sich daran erinnert, wie national auch die SPD früher mal war. Das macht die Verteidigung nicht besser.

Zu guter Letzt: Wie viele Westpolitiker interessiert, was die Ostdeutschen über diese Auseinandersetzung denken? "Die Menschen im Osten haben wichtigere Probleme, als sich einen derartigen Schlagabtausch zu liefern." Das sagt der Sozialdemokrat Reinhard Höppner. Den eigenen Parteifreunden und den Politikern der Union. Wie vernünftig.

Aber heute ist ja Wahltag.

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