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Meinung: Langer Anlauf zum kurzen Abschied Möllemann erlöst seine Partei und geht – diesmal wirklich

Nehmen wir ihn, ein letztes Mal, beim Wort? „Klartext – Mut – Möllemann“ hieß die Losung in seinem ominösen Wahlkampfflugblatt.

Von Robert Birnbaum

Nehmen wir ihn, ein letztes Mal, beim Wort? „Klartext – Mut – Möllemann“ hieß die Losung in seinem ominösen Wahlkampfflugblatt. Klartext hat Jürgen W. Möllemann jetzt gesprochen, nach Wochen des Raunens und Andeutens, des inszenierten Wägens und Zögerns: Er verlässt die FDP. Was denn auch sonst? Wer die eigene Partei und nahezu ihr komplettes Führungspersonal derart umfassend und unflätig beschimpft, wie es Möllemann getan hat, der kann nur noch den Mitgliedsausweis abgeben. Der hat nie etwas anderes vorgehabt.

So viel zum Klartext. Nun zum Mut. Möllemann nimmt ihn gern für sich in Anspruch. Bewiesen hat er ihn weniger. Sich mit einem durchaus umstrittenen Moderator wie Michel Friedman anzulegen, erfordert keinen Mut. Sich mit den Juden in Deutschland anzulegen, erfordert überhaupt keinen Mut, sondern jene Form von Feigheit, die sich in dreister Lautstärke äußert. Den Auseinandersetzungen in und mit der FDP aber, die er seine Familie zu nennen nicht müde wurde, ist er sorgsam aus dem Weg gegangen. Nur ein einziges Mal, und da im falschen Büßergewand, hat er in Person gekämpft: als es zum ersten Mal um seinen Ausschluss aus der Landtagsfraktion in Düsseldorf ging. Alle anderen Kämpfe hat der Mutige per Fax bestritten. Weil er in einer „Hetz- und Treibjagd“ ohnehin keine Chance hatte? Nein. Weil er seit jeher Auseinandersetzungen scheut, bei denen er nicht die Regeln vorgibt. Der Bundestagsfraktion hätte er keine Märchen erzählen können über angebliche finstere Motive seiner Gegner. Da hätte er zu seinen Taten und Worten stehen müssen.

So viel zum Mut. Nun noch zum Möllemann. Das ist eine traurige Geschichte. Es spricht einiges dafür, dass der Mann aus Münster sich selbst für so groß und großartig hält, wie er von anderen gerne gesehen würde. Tatsächlich hat er wie nur wenige begriffen, wie sehr politische Wirksamkeit von Stimmungen abhängt, und wie kaum ein anderer hat er es vermocht, diese Stimmungen zu entfachen. Möllemann war schon die Verkörperung der Stimmungsdemokratie, bevor jemand dieses Wort kannte. Kein Zufall, dass auch langjährige Kenner sich schwer tun würden, ihn mit Programmgrundsätzen in Verbindung zu bringen. Kein Zufall auch, dass sein größtes Projekt eine Quantität war, die Zahl 18, nicht eine Qualität.

Und jetzt? Jetzt kommt alles, wie es kommen muss. Möllemann wird seine Mandate in Düsseldorf und Berlin behalten. Zwei, drei Mal werden die Auftritte des fraktionslosen Abgeordneten noch ein Rascheln im Blätterwald erzeugen. Ab dann füllen sie nur die Archive. Wenn er einen Rest seines strategischen Scharfsinns bewahrt hat, wird er keine eigene Partei gründen. Die Gefolgschaft aus Frustrierten, Sektierern und Verlassenen, die sich ihm dafür allenfalls als Basis und Funktionärskorps andienen würde, wäre ihm nicht zu gönnen. Aber ohne Gefolgschaft, nur mit dem Mann am Fallschirm, ist keine Partei zu gründen. Der Politiker JWM ist am Ende. Vergesst Möllemann!

Die FDP aber wird ihn so schnell nicht vergessen. Ja, sie kann aufatmen, weil ihr eine lange, quälende Auseinandersetzung erspart geblieben ist. Der Ausgang des Parteiausschlussverfahrens war nie sicher vorhersehbar. Eine Weile wird die Erinnerung an Möllemann trotzdem noch auf den Liberalen lasten. Mit ihm geht ja nicht zuletzt ein Stil der Darstellung, von dem die FDP und ihr Chef Guido Westerwelle lange gezehrt haben. Witz statt Politik, das wird so bald nicht wieder salonfähig. Wenn dereinst nach Möllemanns Verdiensten gefragt wird – dies könnte der größte sein.

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