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Meinung: Laute Post

DIE RÜCKTRITTS-DROHUNGEN DES KANZLERS

Die menschliche Wahrnehmung ist ein schillernd’ Ding, wie das beliebte Kinderspiel „Stille Post“ beweist. Die Erwachsenen in der Medienbranche spielen es mit großem Vergnügen in ihrer Variante als „Laute Post“. Im Unterschied zum Kinderspiel, wo ein Satz sich durch Weitergabe in sein Gegenteil verwandeln kann, geben die Erwachsenen dem gleichen Wort auf seinem Weg durch die politische Landschaft einfach eine andere Bedeutung. Am 1. Juni intervenierte Gerhard Schröder auf dem SPD–Parteitag in der Debatte mit einem kurzen Beitrag, in dem er nichts anderes gesagt hat als in einer Rede vor zwei Tagen. Dass Schröder sein politisches Schicksal mit den Reformen verknüpft, war im Juni keine besondere Schlagzeile wert oder galt als Indiz für den ernsten Willen des Bundeskanzlers. Jetzt haben wir eine Rücktrittsdrohung gehört und nachgezählt: schon die achte. Es wird wohl die vorläufig letzte gewesen sein, die der Bundeskanzler spricht oder die Öffentlichkeit hört. Denn irgendwann wird auch das schönste Spiel langweilig. Und wer es jetzt immer noch nicht verstanden hat, dass Schröder mit den Reformen seine letzten Karten spielt und deshalb sein politisches Schicksal damit verknüpft ist, der versteht es nimmermehr. tib

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