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Meinung: Leben unterm Regenbogen

Roger Boyes, The Times

Gute Nachrichten, endlich, aus Bremerhaven. Weibliche Pinguine aus Schweden sollen helfen, aus schwulen Artgenossen heterosexuelle männliche Pinguine zu machen. Auf den ersten Blick verhielten sich die Pinguine im Bremerhavener Zoo wie glückliche Paare, sie badeten zusammen in der Sonne, machten Liebe, flirteten und saßen auf Steinen, als ob sie Eier ausbrüten wollten. Warum gab’s keine echten Pinguinbabys? Bluttests zeigen, dass jene Pinguine, die so häufig Sex miteinander hatten, tatsächlich männlich sind. Und schwul wie Guido. Die schwedischen Frauenimporte sollen sie wieder normal machen. „Wir wissen nicht, ob sie zusammenglucken, weil einfach keine Weibchen da sind“, sagt die beunruhigte Zoodirektorin Heike Kück. Ich glaube, es gibt sehr viel einfachere Wege, ihre Sexualität zu bestimmen: Mögen sie Judy Garland? Sind ihre Nester besonders sauber, durchdesigned?

Schwulengruppen sind empört über das Experiment. Homosexualität, sagen sie, ist genetisch und keine Frage von Lifestyle. Ich verstehe die Aufregung nicht. Natürlich werden die echt schwulen Pinguine weiter zu den Village People tanzen, während die opportunistisch Schwulen sich mit den schwedischen Vögeln zusammentun werden. Jeder, der in einem britischen Internat war (oder Robert Musil gelesen hat) weiß, dass Männchen, wenn zusammengepfercht, sich attraktiv finden. Aus den meisten werden durchschnittliche Heterosexuelle mit Kindern. Ich kann mich selbst an solche Jungen erinnern, einer ist heute General, ein anderer hat Karriere bei den Konservativen gemacht, ein dritter ist Bischof – viel Erpressungsmaterial, sollte meine Rente mal zu knapp werden.

Die schwulen Pinguine kamen mir wegen der „Gay Night at the Zoo“ vergangene Woche in den Kopf. Ich weiß, es ist nicht politisch korrekt in dieser Stadt – schlimmer: ein bisschen spießig –, sich zu beschweren, aber wird Ihnen bei dieser Party nicht mulmig? Der Christopher Street Day ist in Ordnung, bunt, sogar geistreich. Die Schöneberger Schwulen- und Lesbenfeste sind, hmm, Schöneberg. Damit kann man leben, und vielleicht sogar Spaß haben. Wenn sich angehende Bankmanager ihre Beine rasieren, Boas umschwingen und Abba-Lieder auf dem Ku’damm singen wollen, kein Problem. Mein Problem ist: Müssen wir jeden Akt homosexuellen Exhibitionismus’ akzeptieren, um unsere Toleranz als Stadt zu demonstrieren? Und denkt jemand an die armen Tiere in den Käfigen, die schließlich nicht abhauen können, wenn die schrille Karawane den Zoo erreicht?

Tiere verdienen unseren Schutz. Sie brauchen das gute Vorbild der Menschen. Ich halte nicht viel von der Philosophie des 19. Jahrhunderts, dass Zoos Kindern den Sinn sozialer Hierarchien vermitteln. Ich fürchte auch nicht, dass die Berliner Zootiere plötzlich schwul werden. Der Zoologe Bruce Baghemihl hat Hinweise auf homosexuelles Verhalten bei über 450 Spezies entdeckt, darunter Bären, Gorillas, Flamingos, Eulen, sogar Lachse. Schwule Delphine, sagt er, nutzen das Atemloch ihrer Partner zum Sex, was ziemlich unangenehm klingt. Es hat also nicht viel Sinn, die Tierwelt sexuell umdrehen zu wollen. Doch wir Menschen sollten den Tieren beim Besuch zeigen, wie man ein interessanteres und wertvolleres Leben führen kann. Bao Bao zum Beispiel, der Panda, der es der Berliner Bourgeoisie gleichtut und dem Sex abgeschworen hat. Das Überleben seiner Spezies hängt daran, dass er mit seiner Gefährtin kopuliert – doch er hat sie seit Jahren nicht mehr angeschaut. Sein letzter offizieller Akt war in London, damals blieb er an seiner Partnerin kleben. Wärter mussten ihn mit einem Feuerlöscher besprühen, damit er von ihr ließ.

„Gay Night at the Zoo“ setzte die Tiere wenigstens der Musik aus – haben die Wölfe geheult? –, die Veranstaltung war also keine vollkommene Zeit- und Geldverschwendung. Sie könnte eine Debatte über den öffentlichen Raum in Berlin auslösen. Der Zoo umfasst 35 Hektar, der Tierpark 160. Sollte diese urbane Fläche nicht intelligenter eingesetzt werden? Die Tiere sind nicht in einem Museum (und selbst Museen werden für Konferenzen, Seminare und Parties genutzt). Man sollte Menschen und Tiere zusammenbringen. Der erste Schritt: Im Zoo könnte man Wahlveranstaltungen abhalten. Die Politiker würden sicher etwas lernen – Helmut Kohl war ein Fan des Affenkäfigs – und wenn die Reden dann allzu öde sind, kommt Bao Bao vielleicht endlich auf andere Gedanken.

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