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Leichtathletik-WM: Zur Feier des Wettkampfs

Der große Renner schien die Leichtathletik nicht mehr zu sein, aber bei diesen Weltmeisterschaften in Berlin wirkte sie auf einmal wieder unglaublich flott. Die beste Leistung bei dieser Weltmeisterschaft hat das Publikum im Olympiastadion gezeigt.

Der große Renner schien die Leichtathletik nicht mehr zu sein, aber bei diesen Weltmeisterschaften in Berlin wirkte sie auf einmal wieder unglaublich flott. Das lag nicht nur daran, dass im Olympiastadion Berlino herumtollte, das sportlichste Maskottchen, das die Sportwelt je gesehen hat. Diese WM hatte einfach zwei sehr attraktive Plätze anzubieten, vor dem Fernseher und im Stadion.

An der komplizierten Leichtathletik hat das Fernsehen gezeigt, was es kann: dramatisieren, damit Gefühle aufkommen. Erklären, damit Bewegungsabläufe zu verstehen sind. Und beschreiben, um Ästhetik in Worte zu fassen. So wurde die Leichtathletik zu großer Abendunterhaltung, die Einschaltquoten erreichten das Niveau eines Tatorts. Mit diesem Verständnis lässt sich auch die Vorstellung des Hauptdarstellers Usain Bolt genießen. Ob seine Leistung natürlich ist, dessen kann sich das Publikum nicht sicher sein. Aber gut unterhalten wird es. Und es bekommt Gesprächsstoff weit über diese WM hinaus mit den Fragen, was der Mensch eigentlich leisten kann, wo seine Grenzen liegen und wie er mit diesen Grenzen umgeht.

Die beste Leistung bei dieser Weltmeisterschaft hat das Publikum im Olympiastadion gezeigt, ganz ohne Aufputschmittel. Indem es selbst die letzte Läuferin im 10 000-Meter-Rennen anfeuerte. Indem es fast lautlos wurde, als Hochspringerin Ariane Friedrich sich auf ihren Anlauf konzentrierte. Oder indem es Friedrichs härteste Konkurrentin so unterstützte wie alle anderen auch. Auch an den ersten Tagen dieser WM wirkte das Stadion daher immer halb voll, nie halb leer.

Reihenweise leere Plätze sind dennoch enttäuschend. 500 000 Tickets wollten die Organisatoren verkaufen, 400 000 wollen sie geschafft haben. Schon vor Beginn der WM waren 336 000 Karten verkauft worden. Die Rechnung, in den Schulferien auf spontane Berliner zu setzen, ging nicht ganz auf.

So viele Zuschauer in dieser Zeit zur Leichtathletik zu bringen, ist ein ordentliches Ergebnis. Aber an den Medaillenrängen sind die Organisatoren in diesem Wettbewerb vorbeigelaufen. Die Versäumnisse wurden, wie so oft im Sport, in der Vorbereitung begangen. Die Werbung war nicht originell und nachdrücklich genug, sie kam in Berlin zu spät an, und sicher hätten auch niedrigere Eintrittspreise mehr Besucher ins Olympiastadion gezogen. Tickets zu verschleudern oder zu verschenken, wäre jedoch keine Lösung gewesen. Der Senat hätte dann weit mehr finanzielle Unterstützung aufbringen müssen als die schon versprochenen 20 Millionen Euro. Vor allem aber wären diese Weltmeisterschaften nicht zu einem solchen Bewegungsfest geworden.

Dieses Publikum hat wohl auch deshalb so viel Geld für den Eintritt bezahlt, weil es der Leichtathletik einen Wert zumisst. Es hat sich jedenfalls durch Interesse und Liebe zu dieser olympischsten aller Sportarten ausgezeichnet, aus der WM ein Event gemacht, ohne ein Eventpublikum zu sein. Getröte und Klatschpappenlärm wie beim Istaf gab es nicht. Dafür hat die Leichtathletik auch schöne Vorlagen geliefert, mit einfachen Sinnbildern. Wie bei der Siebenkämpferin Jennifer Oeser. Hingefallen, aufgestanden, losgerannt, eine Medaille gewonnen.

Dass der Wettkampf wieder gefeiert wird – das ist die Leistung dieser Weltmeisterschaften in Berlin.

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